Der erste Film unter der Regie von Alan Rickman kam 1997 in die Kinos. Nun folgt der Zweite. In den 18 Jahren dazwischen ist viel passiert. Rickman verkörperte komplexe Figuren wie knallharte Bösewichte, zwielichtige Professoren, betrügende Ehemänner und beschützende Väter. Seine neuste Rolle ist niemand Geringeres als der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. Dieser will Ende des 17. Jahrhunderts eine imposante Gartenanlage in Versailles anlegen lassen, die alles bisher Dagewesene übertreffen soll. So erhält der oberste Gartenarchitekt André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts) den Auftrag diese umzusetzen. Doch allein ist das Megaprojekt nicht zu bewältigen. Es braucht mehrere Architekten. Beim Vorstellungsgespräch kollidieren die Vorstellungen der unkonventionellen Landschaftsgärtnerin Sabine De Barra (Kate Winslet) mit dem auf Symmetrie und Ordnung wert legenden Le Nôtre. Der stellt sie dennoch ein, in der Hoffnung den außergewöhnlichen Wünschen des Königs gerecht zu werden. De Barra bekommt den Auftrag zur Erstellung einer Brunnenanlage und trifft dabei auch auf Vertreter des vergnügungssüchtigen französischen Adel. Doch De Barra stößt nicht nur dort auf Intoleranz, sondern auch bei ihren männlichen Kollegen sowie ihren Arbeitern. Außerdem muss sich bald gegen die Intrigen von Françoise Le Nôtre (Helen McCrory) durchsetzen. Die bemerkt, dass ihr Gatte immer mehr Zeit mit Sabine verbringt und versucht alles um ihre Ehe zu retten. Dabei schreckt sie auch nicht vor Sabotage zurück.
Das wilde Herz trifft das tickende
Die fiktive von Kate Winslet verkörperte Figur der Sabine de Barra ist inmitten der männerdominierten Arbeiterschaft und den gekrönten Häuptern ein Fremdkörper, der erst noch seinen Platz finden muss. Dieser Umbruch spiegelt sich eins zu eins in ihrer Baustelle, die sich von einer schlammigen Dreckgrube in ein wunderschönes → Boskett verwandelt. Doch ohne Hilfe würde sie scheitern. Architektonische Hilfe bietet da ihr Meister, in den sie sich verliebt; moralische Unterstützung liefert der Herzog von Orléans (wieder herrlich übertrieben dargestellt durch den Grandmaster der verschrobenen Nebenrolle: Stanley Tucci → Filmszene), seine Gemahlin Prinzessin Palatine (Paula Paul) und die Mätresse des Königs, Madame De Montespan (Jennifer Ehle). Überraschende Wendepunkte gibt es nicht, aber durch die Bank weg gute schauspielerische Leistungen, besonders aber natürlich von Alan Rickman als Sonnenkönig mit Vision und Helen McCrory als ambivalente Ehefrau, die ihrem Mann Untreue vorwirft, aber selbst wechselhafte Liebschaften hat. Die Kostüme, Locations und der Soundtrack von Peter Gregson ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Fiktion und historische Fakten werden gut miteinander verwoben.
Die Geschichte wird locker erzählt. Leider geht die Bedeutung des Originaltitels im deutschen (DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES) etwas unter. Einige kleine und mittelgroßen Logiklöcher trüben dann doch etwas die Stimmung. So wird die Rolle von Sabine als „Frau in Führungsposition“ nie in Frage gestellt, obwohl Frauen zu dieser Zeit noch keineswegs große Entscheidungen treffen durften. Auch die Angstzustände, von denen Sabine immer wieder heimgesucht werden, wirken zu aufgesetzt und werden dann mithilfe einer Rückblende erklärt, die es eigentlich nicht gebraucht hätte. In solchen Momenten nimmt der Film den Zuschauer zu sehr an die Hand. Dennoch ist DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES ein sehenswertes Historiendrama mit starbesetztem Cast.
Klassisches Historiendrama (4.5/6)
Trailer: © Tobis
Das klassische Historiendrama schien mir lange Zeit uninteressant. Unter Alan Rickman wird es plötzlich dann doch wieder sehenswert. Obwohl mich der Eindruck nicht loslässt, dass Dein Review im Verhältnis dazu trotzdem lesenswerter war 😉
Für mich hatte Kate Winslet ihre beste Rolle in Form eines Gastauftritts bei Ricky Gervais‘ „Extras“ – als sie selbst.
LG,
Rob
http://kopfundkino.blogspot.de/
Danke für das Lob. Ich bin immer sehr unsicher, was meinen Schreibstil angeht, daher geht das runter wie Öl. 😉