Zweigstelle (2025)

Was passiert eigentlich, wenn man stirbt? Julius Grimm findet in seinem Debütfilm ZWEIGSTELLE eine herrlich absurde Antwort auf diese Frage: Man landet in einer Behörde. Genau das passiert nämlich Resi (Sarah Mahita) und ihren drei Freunden. Sie wollten eigentlich nur in die Berge fahren, um die Asche eines verstorbenen Freundes zu verstreuen, doch ein tödlicher Autounfall macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Plötzlich finden sich die Vier in einer oberbayerischen Jenseits-Behörde wieder. Hier soll über ihr weiteres Schicksal entschieden werden. Die Sachbearbeitenden versuchen, die Gruppe den gängigen Kategorien zuzuordnen, doch es stellt sich heraus: die Neu-Toten haben zu Lebzeiten an überhaupt nichts geglaubt. Also müssen sie ins „Nichts“ gehen, doch damit ist keiner der Vier so wirklich zufrieden. Sie versuchen auf verschiedenste Weisen ihrem Schicksal zu entkommen. Resi freundet sich mit dem Hausmeister (Rainer Bock) an, während ihr Kumpel Philipp (David Ali Rashed) die beiden Damen vom Empfangskomitee (Johanna Bittenbinder, Luise Kinseher) davon überzeugen möchte, dass er ja eigentlich an den Buddhismus und Wiedergeburt glaubt.

Szenenbild aus ZWEIGSTELLE - Mel (Beritan Balci), Resi (Sarah Mahita), Sophie (Nhung Hong) und Philipp (David Ali Rashed) im Jenseits - © Weltkino / Luis Zeno Kuhn
Mel (Beritan Balci), Resi (Sarah Mahita), Sophie (Nhung Hong) und Philipp (David Ali Rashed) im Jenseits – © Weltkino / Luis Zeno Kuhn

Willkommen in der Zweigstelle Süddeutschland III/2!

Die Idee, das Jenseits als Amt mit Wartenummern und Schränken voller verstaubter Aktenordner zu inszenieren, ist unterhaltsam wie unverbraucht. Grimm hat aus diesem Setting einen Film gebaut, der gleichermaßen unterhält wie berührt. ZWEIGSTELLE versprüht ein wunderbares Lokalkolorit, ohne dabei zu tief in die Bayern-Klischees-Kiste zu greifen. Der Film wurde hauptsächlich in der oberbayerischen Gemeinde Penzing sowie in München und Umgebung gedreht – und die Drehorte sind ein echtes Highlight. Die Architektur der Behördenräume fängt perfekt diese Mischung aus funktionaler Tristesse und unwirklicher Atmosphäre ein. Der Film findet immer wieder lustige Motive, die aus dem Behördenalltag entspringen: Formulare, die man braucht um Unterlagen einsehen zu können; veraltete, technische Geräte in den Büroräumen und nicht enden wollende Gänge, in denen man schnell die Übersicht verliert.

Szenenbild aus ZWEIGSTELLE - Rita (Luise Kinseher) und Silvia (Johanna Bittenbinder) empfangen die Neuankömmlinge. - © Weltkino / Luis Zeno Kuhn
Rita (Luise Kinseher) und Silvia (Johanna Bittenbinder) empfangen die Neuankömmlinge. – © Weltkino / Luis Zeno Kuhn

Himmlisch gut

Das Ensemble ist wirklich außerordentlich gut gesetzt. Mein Highlight war Rainer Bock als Hausmeister. Er legt die Rolle herrlich väterlich an und spielt gerade im Zusammenspiel mit Sarah Mahita ganz großartig seine Rolle, von der man bis zum Ende nicht weiß, ob er nun den Tod oder Gott verkörpert. Beide Lesarten funktionieren. Ebenfalls fantastisch ist Maxi Schafroth in einer Nebenrolle als herrlich bürokratischer Behördenmitarbeiter. Er spielt sich sympathisch in den Vordergrund, während er gegen seinen widerspenstigen Drucker kämpft oder verzweifelt versucht, seine Arbeit zu erledigen, obwohl ihm ständig Kollegen reinquatschen wollen. Schafroth, der ja schon aufgrund seiner Haupttätigkeit als Kabarettist ein Gespür für Situationskomik hat, kann hier ganz aus dem Vollen schöpfen. Das gilt auch für die Empfangsdamen Johanna Bittenbinder und Luise Kinseher, die sich mit großer Spielfreude die Bälle hin- und herwerfen.

Szenenbild aus ZWEIGSTELLE - Der Hausmeister (Rainer Bock) - © Weltkino / Luis Zeno Kuhn
Der Hausmeister (Rainer Bock) – © Weltkino / Luis Zeno Kuhn

Ein singender Fisch im Kellerverlies

ZWEIGSTELLE findet einen Sweetspot zwischen Ernsthaftigkeit und absurdem Humor. Und für viele Fragen auch eine Antwort. Nämlich: Was passiert, wenn man die Behördenmitarbeitenden anlügt? Dann kommt man in einen Folterkeller. Das Hauptfolterinstrument ist ein singender Plastikfisch, der in Dauerschleife „Von den blauen Bergen kommen wir“ trällert. David Ali Rashed als Philipp macht die unangenehme Bekanntschaft mit dem Fisch, nachdem er falsche Angaben zu seiner Religionszugehörigkeit gemacht hat. So kurzweilig und charmant ZWEIGSTELLE auch ist, ganz ohne kleinere Schwächen kommt der Film nicht aus. Nicht alle Handlungsstränge werden elegant aufgelöst. Beispielsweise tauschen in einer Szene zwei Hauptfiguren in Anwesenheit des „Feinds“ wertvolle Informationen aus, obwohl sie davon ausgehen müssten, dass sie dabei belauscht werden. Solche logischen Unstimmigkeiten fallen dennoch nicht dramatisch ins Gewicht, weil der Film insgesamt so gut unterhält. Für einen Debütfilm ist das aber absolut verzeihlich. ZWEIGSTELLE ist ein wunderbarer Spaß geworden, der zeigt, dass deutsches Kino durchaus frische Ideen hat und diese auch technisch und schauspielerisch umsetzen kann. Die Besetzung stimmt, die Dialoge sitzen, die Idee trägt. ZWEIGSTELLE ist kurzweilig, hat Herz und schafft den Spagat zwischen Klamauk und Tiefgang.

9/10

Bewertung: 9 von 10.

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