Das Sprichwort „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“ trifft häufig auch auf mich zu. Da muss man manchmal nachhelfen. Nachdem ich neulich auf die Frage eines Kumpels, ob ich denn jetzt endlich WESTWOLRD gesehen hätte, immer noch mit „Nein“ geantwortet habe, hat er mich kurzerhand vor seinen Fernseher gesetzt und die erste Folge angemacht. Und was soll ich sagen: Ja, er hatte Recht. Die Geschichte um den futuristischen Freizeitpark Westworld macht Laune. Der brillante Erfinder Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins) und sein Team lassen die Träume ihrer wohlhabenden Besucher wahr werden. In einer täuschend echten Wildwest-Umgebung dürfen die Besucher tun und lassen, was auch immer sie möchten. Sie können dabei auch ihrer Sex- und Mordlust nachgehen, denn im Park befinden sich hauptsächlich „Hosts“. Diese künstlichen Lebensformen wie etwa die Farmertochter Dolores (Evan Rachel Wood) oder die Prostituierte Maeve (Thandie Newton) beginnen aber langsam zu erkennen, was die Gäste mit ihnen anstellen. Auch ein langjähriger Stammgast, ein mysteriöser Mann in Schwarz (Ed Harris), versucht hinter das Geheimnis des Parks zu kommen.
Nolan’sche Qualität
Wie es sich für etwas aus dem Hause Nolan gehört, ist die Geschichte wieder sehr komplex. Jonathan, der jüngere Bruder von Christopher, hat hier zusammen mit seiner Frau Lisa Joy basierend auf der gleichnamigen Filmvorlage aus dem Jahr 1973 eine atemberaubende, vielschichtige Serie entworfen. Es wird nie langweilig. Zudem hat die ohnehin schon spannende Grundgeschichte einige Wendepunkte, die man absolut nicht kommen sieht. Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn ich laut „What the fuck?“ in Richtung Bildschirm rufe. Und in der ersten Staffel von WESTWORLD gibt es durchaus zwei, drei Momente, wo es dazu kam. Die Serie arbeitet viel mit Wiederholungen. Die Hosts wiederholen die immergleichen Tätigkeiten aufgrund ihres programmierten Loops. Da mit Dolores ein Host im Zentrum der Geschichte steht, könnte manch einer denken, dass es auf Dauer ermüdend ist, dem immer und immer wieder zuzuschauen. Aber es bleibt spannend, eben weil man die Abweichungen entdeckt. Die Änderungen in den Abläufen. Und besonders, wenn man die zehn Folgen der ersten Staffel fertiggeschaut hat, kann man sie gleich noch einmal von vorne mit „neuen Augen“ sehen.
Die olympischen Spiele für Schauspielerei
Evan Rachel Wood bezeichnete WESTWORLD in einem Interview als „die olympischen Spiele für Schauspielerei“. Und das trifft es eigentlich ganz gut. Insbesondere die Hosts müssen HBO-typisch nicht nur viel nackte Haut zeigen, sondern auch auf Wunsch innerhalb von Sekunden von einem emotionalen Gefühlsausbruch in einen neutralen „Analysemodus“ wechseln. Wahrscheinlich auch deshalb ist die Schauspielerriege allererste Sahne. Neben Anthony Hopkins und Ed Harris mischen auch die Walküre Tessa Thompson, James Marsden, Thandie Newton und Jeffrey Wright mit. Insgesamt eine bunte Mischung. Herrlich erfrischend fand ich auch, dass nicht nur Männer die weiblichen Robotermenschen missbrauchen, sondern dass es auch den umgekehrten Fall gibt. Niemand ist ohne Sünde in Westworld. Und in der „echten Welt“ auch nicht.
In Westworld steckt Wahrheit
Es gibt diese kleinen Momente, die mich zum Nachdenken bringen. Zum Beispiel als Dr. Ford ausführt, dass die Hosts nicht anders seien als die menschlichen Gästen. Auch die seien in ihren „Loops“ gefangen. Das ist nur ein kleines Beispiel für einen klugen Gedanken in einem insgesamt brillanten Drehbuch. Das Storytelling ist Weltklasse. Anders kann ich’s nicht sagen. Es ist für mich ein Unding, dass es hierfür noch keine goldene oder andersfarbige Auszeichnung gab. Lisa Joy und Jonathan Nolan schaffen eine atmosphärische, spannende Welt, in die ich baldmöglichst wieder zurückkehren möchte.
5.5/6 bzw. 9.5/10
Die erste Staffel von WESTWORLD ist für’s Heimkino sowohl auf DVD, Blu-ray und 4K Ultra HD Blu-ray käuflich zu erwerben. Wer lieber streamen möchte, kann sich entweder bei Amazon Prime die Staffel kaufen oder sein Sky-Abo nutzen. Hier ist die Staffel im Abo enthalten.