In den Münchner Kammerspielen sitzen drei „Großkopferte“ auf der Bühne – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Bühnen- und Maskenbildnerin Katrin Bombe nahm den süddeutschen Begriff nämlich wörtlich. Als Großkopferte/r wird eine Person in gehobener gesellschaftlicher oder beruflicher Position bezeichnet. Es ist ein leicht ironischer, manchmal auch kritischer Ausdruck für wichtige Persönlichkeiten oder Entscheidungsträger. In VERY RICH ANGELS steckt sie das Ensemble in diese überdimensionale Köpfe und Regisseur Christian Lollike lässt sie singen. Die Rahmenhandlung: In einem Nachtclub treffen sich zufällig drei der reichsten Menschen der Welt: Bill Gates (Christian Löber), Elon Musk (Annette Paulmann) und Mark Zuckerberg (Elias Krischke). Sie haben zwar unfassbar viel Geld angehäuft, doch das Leid der Welt lässt sie nicht kalt. Jeder von ihnen hat seine eigene Vision zur Rettung der Menschheit entwickelt. Während sich Zuckerberg dem Metaverse verschreibt, plant Musk die Besiedlung des Mars. Gates hingegen widmet sich der Entwicklung einer → Edeltoilette ohne konventionelles Abwassersystem.

Die Besiedelung des gelobten Landes
So ganz ernst nehmen, kann man drei Visionäre nicht. Die drei Tech-Milliardäre erzählen dem Publikum von ihrer harten Kindheit und ihrer entbehrungsreichen Jugend. Damit rechtfertigen sie ihr Dasein als unverstandene, aber einflussreiche, reiche Persönlichkeiten. Ihre vermeintlichen Nöte haben mit dem Leben des gemeinen Volkes wenig zu tun. Am bodenständigsten wirkt noch Bill Gates mit seiner Bestellung: Ein einfacher Hamburger und eine Cola. Die selbsternannten Weltverbesserer in VERY RICH ANGELS schweben in ihrer eigenen Sphäre, entrückt von alltäglichen Sorgen wie Mietzahlungen oder dem nächsten Gehalt. Sie haben die Freiheit, sich Gedanken über die Rettung der Menschheit zu machen, während andere Menschen um ihre Existenz kämpfen. Diese privilegierte Position macht ihre großen Pläne zur Weltrettung geradezu grotesk. Ihre Visionen wirken wie die Tagträume von Kindern, die zu viele Science-Fiction-Filme gesehen haben – nur dass diese „Kinder“ über die finanziellen Mittel verfügen, ihre fantastischen Ideen tatsächlich umzusetzen.

Macht und Moral und Milliarden
Die moralische Überlegenheit der Tech-Milliardäre wird auf die Probe gestellt, als Wladimir Putin (Jelena Kuljić) auftaucht und ebenfalls mit zum Mars kommen möchte. Musk, Zuckerberg und Gates präsentieren sich im Folgenden als die „Guten“, die dem „Bösen“ gegenüberstehen. Doch gut und böse ist hier niemand. Sie nutzen ihre wirtschaftliche Macht, um anderen ihre Weltanschauung aufzuzwingen – nicht anders als die Autokraten dieser Welt. Er dürfe mit zum Mars kommen, wenn er sich aus der Ukraine zurückzieht, schlagen die Milliardäre vor. Putin willigt widerwillig ein. Doch dann schlägt Zuckerberg vor, Putin solle auf dem Mars in einer Küche arbeiten und Frauen bekochen, am besten noch unter einer Regenbogenflagge. Die Hybris der Tech-Elite kennt keine Grenzen. Putin lehnt schließlich ab. Die Ukraine ist dann doch interessanter als ein Leben auf dem Mars.

Der Messias hängt am Kreuz
Der Charme von VERY RICH ANGELS liegt besonders am Ensemble. Da wäre Elias Krischke als Mark Zuckerberg, der leidenschaftlich die Vorzüge des Metaverse besingt, während er am Kreuz hängt, weil er sich insgeheim für einen Messias hält. Annette Paulmann verleiht Elon Musk eine Mischung, die permanent zwischen endlosem Größenwahn und Verletzlichkeit wechselt. Christian Löber hüpft als Bill Gates mal übermotiviert durchs Bild und stopft sich dann wieder gelangweilt Pommes in den Mund. Die gewaltigen Köpfe, die Bühnenbildnerin Katrin Bombe geschaffen hat, sind gleichzeitig Maske und Gefängnis, Symbol von Macht und Isolation. Der Text von Madame Nielsen ist voller verrückter Einfälle und Wendungen, die man nicht schon meilenweit kommen sieht. Im letzten Viertel des Stücks, wenn die drei Genies tatsächlich zum Mars aufbrechen, verliert die Inszenierung allerdings etwas an Schwung. Die philosophischen Fragen nach Schuld und Verantwortung verlieren sich in der Weite des Weltalls. Für einen verschneiten Februartag war das Stück für mich aber genau das Richtige.
Gesehen am 16. Februar 2025 in den Münchner Kammerspielen.
8/10