The Apprentice (2024)

Ich wollte THE APPRENTICE eigentlich nicht sehen. Die Nachrichten sind voll von Donald J. Trump. Ich habe das Gefühl, dass über diesen Mann schon alles gesagt wurde, was es zu sagen gibt. Braucht es da noch eine fiktionale Aufarbeitung? Ja, befand Wolfgang M. Schmitt in seiner → Filmanalyse zum Film. Und gibt es einen besseren Tag diesen Film zu sehen, als den 7. November 2024? Der Tag, an dem feststand, dass Herr Trump auch noch ein zweites Mal US-Präsident werden würde und damit den US-Justizbehörden ein weiteres Mal entgeht. Die Handlung des Films spielt in New York City im Jahr 1973. Donald Trump (Sebastian Stan) ist gerade erst Mitglied im exklusiven Restaurant und Nachtclub „Le Club“ geworden. Der 27-jährige Playboy ist der Vice President der Immobilienfirma seines Vaters Fred. Donald versucht, in dem Club Kontakte zur High Society zu bekommen. Schnell lernt er den Rechtsanwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) kennen. Der verteidigt Trump nicht nur vor Gericht wegen dessen rassistischer Vermietungspolitik, sondern sorgt auch durch Hinterzimmerdeals mit Konzernen und Gewerkschaften, dass Trump auf dem umkämpften New Yorker Immobilienmarkt trotz unternehmerischer Instinktlosigkeit zunehmend an Einfluss gewinnen kann.

Szenenbild aus THE APPRENTICE - Roy (Jeremy Strong) und Donald (Sebastian Stan) - © DMC
Roy (Jeremy Strong) und Donald (Sebastian Stan) – © DMC

Der Zauberlehrling

Hätten irgendwelchen übermotivierten deutschen Verleiher einen eingedeutschen Titel für das Biopic finden müssen, dann wäre es wohl am Ende „Der Lehrling“ geworden. Und von dort ist es gar nicht mehr so weit zu Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“. Die Geschichte um einen Zauberschüler, der seine Kräfte falsch einschätzt und dann von seinem Meister gerettet werden muss, weil er sich übernimmt. Doch die Trumpsche Geschichte hat einen entscheidenden Unterschied: In dieser Version gibt es keinen Meister, der am Ende den Spuk beendet. Der Meister stirbt frühzeitig. Roy Cohn, der als Trumps Mentor fungiert, hat Trump drei verhängnisvolle Regeln mit auf den Weg gegeben: Erstens: Angreifen, angreifen, angreifen. Zweitens: Nichts zugeben, alles leugnen. Und drittens: Egal, was passiert, du beanspruchst den Sieg und gibst niemals eine Niederlage zu. Diese Prinzipien lassen sich in Trumps Handeln auch noch heute erkennen.

Szenenbild aus THE APPRENTICE - Donald (Sebastian Stan) und Ivana (Maria Bakalova) - © DCM
Donald (Sebastian Stan) und Ivana (Maria Bakalova) – © DCM

Das System hinter dem Phänomen Trump

Was THE APPRENTICE so interessant macht, ist die präzise Analyse eines Systems, das Menschen wie Trump erst ermöglicht. Der Film zeichnet ein erschreckendes Bild der New Yorker Immobilienbranche der 70er Jahre, in der nicht Kompetenz, sondern Connections und Einfluss zählen. Geschickt eingewebtes Dokumentarmaterial mit Nachrichtenbeiträgen und Aufnahmen aus dem New York der 80er Jahre schafft zusätzlich eine authentische Atmosphäre. Es ist eine Welt, in der der Anschein von Reichtum wichtiger ist als tatsächlicher Erfolg – eine Lektion, die der junge Trump schnell verinnerlicht hat. Der Film entlarvt ein Netzwerk aus gegenseitigen Gefälligkeiten, Erpressung und Loyalitätsbekundungen, die jederzeit verraten werden können, wenn sich eine bessere Option bietet. Abbasi gelingt es dabei, Trump weniger als Ausnahmeerscheinung, sondern vielmehr als logisches Produkt dieser vergifteten Geschäftswelt darzustellen. Dabei verzichtet er auf Jahreszahleneinblendungen, sondern gibt anhand kleinerer Referenzen (Wer ist gerade US-Präsident? Steht der Trump Tower schon? Ist Don Jr. schon geboren? usw.) Hinweise auf die zeitliche Verortung.

Szenenbild aus THE APPRENTICE - Donald (Sebastian Stan) und Ivana (Maria Bakalova) - © DCM
Donald (Sebastian Stan) und Ivana (Maria Bakalova) – © DCM

Schauspielerische Gradwanderung

Sebastian Stan gelingt das scheinbar Unmögliche: Er interpretiert Trump auf eine völlig eigenständige Art, fern von einer Karikatur. Sein Trump lädt weder zu besonderer Sympathie ein, sondern ist es eine uninteressante Figur. Trotzdem habe ich am Anfang ein bißchen gebraucht, um mich mich mit diesem Mittelweg anzufreunden. Stans Darstellung macht aber in jedem Fall nachvollziehbar, warum Trump für Cohns Lehrsätze so empfänglich war. Zu diesen Momenten zählt beispielsweise auch Szenen, die das angespannte Verhältnis zu seinem Vater zeigen, etwa als dieser beim Abendessen Donalds Bruder Fred Jr. für seine Berufswahl als Pilot demütigt. Der heimliche (und irgendwie auch tatsächliche) Star des Films ist aber Jeremy Strong. Er brilliert in der Rolle des Roy Cohn und dominiert trotz vergleichsweise geringer Screentime jede Szene. Interessant ist auch die Besetzung von Maria Bakalova als Ivana Trump, die im zweiten BORAT-Film den Trump-Vertrauten Rudy Giuliani in Verlegenheit brachte, was eine zusätzliche Meta-Ebene in den Film bringt.

Für alle, die auf den Heimkinostart warten: den Spielfilm kann man ab dem 31. Januar 2025 auf DVD und Blu-Ray kaufen.

9.5/10

Bewertung: 9.5 von 10.

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