Im Moment scheint es wirklich eine gute Zeit für Debütfilmer zu sein. Und glücklicherweise suchen sich diese Debütfilmer auch neue Thematiken aus anstatt Altes wiederzukäuen. Der Neo-Western scheint ebenfalls langsam wieder im Kommen zu sein. Neben bildgewaltigen Blockbuster-Western wie DJANGO UNCHAINED fanden sich in den letzten Jahren aber auch immer wieder einfühlsame Westerndramen wie THE HOMESMAN. In letztere Kategorie gehört auch SLOW WEST. Darin geht es um den 16-jährigen Schotten Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee), der von zuhause ausgerissen ist und nun im wilden Westen des 19. Jahrhunderts seine große Liebe Rose (Caren Pistorius) finden will. Spärlich bewaffnet, aber voller Elan macht sich der Junge auf die Suche. In einem Wäldchen in Colorado rettet ihm der wortkarge Silas (Michael Fassbender) das Leben und bietet sich als Beschützer und Wegbegleitung Richtung Westen an, gegen Bezahlung natürlich. Der naive Junge lässt sich darauf ein. Wie wichtig Silas‘ Unterstützung ist, wird recht schnell klar: Jays Weg kreuzt Ureinwohnern und undurchsichtigen Wissenschaftlern. Unterwegs treffen die beiden nicht nur auf den exzentrischen wie gefährlichen Kopfgeldjäger Payne (Ben Mendelsohn) sondern erfahren auch, dass ein hohes Kopfgeld auf Rose und ihren Vater (Rory McCann) ausgesetzt ist. Silas hat es darauf abgesehen, gerät aber zunehmend in einen Gewissenskonflikt, da er Jay inzwischen sehr gern hat und ihn unterstützen möchte. Es kommt zum unvermeidlichen Showdown.
Von gefallenenen Engeln und aufstrebenden Teufeln
SLOW WEST ist in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich. Da wäre zum einen Michael Fassbender, der nicht nur als Schauspieler auftritt, sondern auch als Executive Producer. Dazu muss man wissen, dass Fassbender bereits in Macleans 2. Kurzfilm → PITCH BLACK HEIST mitgespielt und -produziert hat und ebenfalls in dessem ersten Kurzfilm die titelgebende Hauptrolle, den MAN ON A MOTORCYCLE, gab. So ist es nicht ganz überraschend, dass auch hier Fassbender wieder mitmischen darf, auch wenn es sich dieses Mal um einen Langspielfilm handelt. Weit auffälliger ist, dass alle in Schottland spielenden Szenen tatsächlich auch vor Ort gedreht wurden, der wilde Westen wurde allerdings ins Land der Elben und Orks nach Neuseeland verlegt, was natürlich zu wunderschönen Landschaftsaufnahmen führt. Statt rascher Etablierung der Guten und Bösen stellen sich alle Charaktere als etwas verschroben und exzentrisch heraus. Desweiteren spielt der Film auch mit den typischen Klischees eines Westerns und den Erwartungen des Zuschauers.
Die Langsamkeit im Titel lässt sich auch auf den Film und die Geschwindigkeit der Reise übertragen. Dies sorgt für eine Entschleunigung beim Zuschauer. Kleinere Abstriche werden allerdings bei der Story gemacht. Die Motivation der Figuren ist in manchen Szenen nicht ganz klar. So wird beispielsweise keineswegs erklärt, wie es Jay den weiten Weg von Schottland in den Wilden Westen geschafft hat. Allein schon aus Gründen des Geldes und der Logistik stellt sich das für einen Teenager schwierig da. Warum haben ihn seine Eltern nicht aufgehalten? Wie konnte er es überhaupt soweit schaffen? Und auch Silas‘ bietet viel zu schnell seine Dienste an. Dennoch ist SLOW WEST ein unkonventioneller Western mit starker Besetzung in grandioser Kulisse.
Unkonventioneller Neo-Western (5/6)
Trailer: © Prokino
Da ich absolut nichts mit Western anfangen kann, hat mir der Film leider auch gar nicht zugesagt. Ich drücke mich seit Woche vor einer Kritik, weil ich einfach nichts anständiges aufs Papier bringe.
Dann schreib doch einfach über Michael Fassbender. 😉 Oder eine 1-Satz- oder SMS-Kritik.
das klingt gut! Danke für den Tipp! Ich selbst wär da nicht drauf gekommen^^
Wenn ich die Kombination „Western + Slow“ lese, dann kommt mir als erstes ‚Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford‘ in den Sinn, von Andrew Dominik. Bereits damals habe ich nicht genau nachvollziehen können, aus welchen Gründen das reduzierte Tempo der Dramaturgie, gerade bei einem Western, sinnvoll sein soll?! Um es kurz zu machen: Der Film war gähnend langweilig.
Dass sich dann etablierte Kurzfilmer wie John Maclean ausgrechnet an das Genre des Western wagen und dann noch das Tempo drosseln …, das empfinde ich als äusserst mutig. Dass der Titel sich auf die „Geschwindigkeit der Reise“ bezieht, beruhigt mich dann schon etwas. Langsamkeit im Western muss nicht zwingend langweilig sein, das hat (wieder einmal!) Clint Eastwood mit seinem grandiosen Spätwestern ‚The Outlaw Josef Wales‘ bewiesen und auch später Kevin Costner mit ‚Dances With Wolfes‘. Aber bei beiden Western stimmte die Geschichte und auch die Kunst der filmischen Erzählung. Ist das bei ‚Slow West‘ auch so?
Das „Spielen mit Klischees“ und auch das „Spielen mit den Erwartungen des Zuschauers“, das muss gelernt sein und ist eine hohe Kunst, die nicht alle Regisseure beherrschen. Hitchcock verstand das bravourös, wie wir wissen, aber auch Maclean?
Ich zögere noch ein wenig, einzig Michael Fassbender wäre für mich ein Reiz diesen Film zu sehen und die erwähnten Landschaftsaufnahmen. Der Mime ist einer der zur Zeit beeindruckendsten Schauspieler mit einer grossen Variabilität in der Rollenauswahl und er hat etwas, was gerade im Western absolut von Nöten ist: Leinwandpräsenz! Der amerikanische Schauspieler und Western-Darsteller Glenn Ford besaß sie, auf unnachahmliche Weise.
Doch bei allen kritischen Anmerkungen: Auch ich gehe konform mit der Aussage, dass Debütfilmer neue Thematiken angehen sollten und es erfordert dazu auch einiges an Courage. Daher: „Hut ab!“ vor diesem Regisseur. Vielleicht sehe ich mir den Film an.
Ich kann in diesem Zusammenhang auch den Western ‚Blackthorn‘ von Mateo Gil mit Sam Shepard in der Hauptrolle empfehlen.
Ich finde es übrigens gut, dass auch Filme wie ‚Slow West‘ besprochen werden, neben all dem Franchise, Remakes und Reboots etc.
Ich habe den Film gesehen und bin sehr beeindruckt. Regisseur Maclean ist ein fabelhafter Western gelungen. Mutig, innovativ und mit einer interessanten Bildsprache sowie unkonventionellem Erzählrhythmus schafft er es dem Gerne frischen Wind einzuhauchen. Exzellenter Showdown, eine bezaubernde Caren Pistorius. Grosser kleiner Film!