Seduced and Abandoned (OmU, 2013)

Film im Film verkauft sich selten gut. Deshalb lief dieser Film in vielen deutschen Kinos erst gar nicht. Ironischerweise greift der Film aber genau das auf. Die Filmbranche sei der schlimmste Liebhaber, sagt der Schauspieler Alec Baldwin, man werde immer wieder verführt und verlassen. Somit ist auch schnell der Filmtitel erklärt. Die Ausgangslage ist wie folgt: Regisseur James Toback und Schauspieler Alec Baldwin fahren im Mai 2012 auf das Filmfestival in Cannes um den Film „Der letzte Tango in Tikrit“, ein Remake von Bertoluccis ULTIMO TANGO A PARIGI (Der letzte Tango in Paris), zu finanzieren. Es soll ein sexuell aufgeladenes Drama werden mit Neve Campbell und Alec Baldwin in den Hauptrollen und zur Zeit des Irakkriegs spielen. Alec Baldwin ist zum ersten Mal in Cannes und unterstützt James Toback dabei Geld für den Film zu akquirieren. Doch alle Sponsoren winken ab. Über die verzweifelte Suche nach geeigneten Sponsoren erzählt der Film und sorgt für Einblicke in die Filmbranche.

© Weltkino
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„The worst lover you’ve ever had“

SEDUCED AND ABANDONED macht viele Fässer auf. Häufig steckt viel in einer einzelnen Aussage. Wenn beispielsweise Schauspieler James Caan über den heutigen Zuschauer sagt, dass es ihm bei der Auswahl des Films nicht mehr um den Schauspieler ginge, sondern nur um einen x-beliebigen Franchise-Film, dann kann man diese Aussage in mehrerlei Hinsicht lesen. Lesart 1: Das Starsystem ist tot. Nächste Frage: Warum? Lesart 2: Dem Zuschauer ist es egal was er konsumiert. Lesart 3: Den Studiobossen geht es nur noch um den Profit und deshalb lassen sie nur noch Franchise-Filme drehen. Die Wahrheit liegt wie fast immer wahrscheinlich irgendwo zwischen diesen drei Positionen. Zwei Motive tauchen immer wieder auf: Das Karussell und Orson Welles‘ (1915-1985) Zitat: „I look back on my life and it’s 95 % running around trying to raise money to make movies and 5 % actually making them. It’s no way to live.“ Toback fragt sich auch, was das für ein Leben sei und macht gegen Ende seiner Dokumentation den Vergleich zum Tod auf. Für ihn habe Kino auch immer etwas mit Tod und Endlichkeit zu tun. Und dass es im Kino die Möglichkeit gebe, ewiges Leben zu erfahren, wenn sich ein Film oder ein Schauspieler ins kollektive kinematografische Gedächtnis einbrennt wie z.B. Marilyn Monroe. Aber auch der Akt des Sehens im Kino sei dem Tod recht ähnlich, man sitze in einem dunklen Raum und plötzlich gebe es Licht.

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Vermischt wird all das mit Geschichten und Anekdoten von Regisseuren und Schauspielern. Wenn etwa Jessica Chastain von ihrer Schauspielschule schwärmt oder Diane Kruger davon erzählt, sich vor Tausenden verletzlich zu zeigen, bekommt man einen kleinen Einblick in eine harte Branche, in der man es nur schafft, wenn man ein „egoistischer Drecksack“ (Zitat Baldwin) wird. Die spannendste Geschichte liefert aber Ryan Gosling, der von seinem Onkel erzählt, der als Elvis-Imitator arbeitete, und Impressionen seines Lebens bevor er ein erfolgreicher Schauspieler wurde, teilt.

James Toback und Alec Baldwin haben alle ihre Protagonisten zum Reden gebracht, seien sie Regisseure, Schauspieler, Drehbuchautoren, Investoren oder Verleiher. Damit geben sie einen guten Überblick, auch wenn man sich hin und wieder wünscht, sie würden bei dem ein oder anderen Interviewpartner etwas mehr in die Tiefe gehen. (Wie schon erwähnt haben manche Aussagen mehrere Lesarten und da wünscht man sich hin und wieder ein „Wie meinen Sie das genau?“) Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Optik des Films. Häufig sind mehrere Bildausschnitte zu sehen. Links erzählt jemand, rechts sieht man einen Filmausschnitt. Dann wieder Vollbild. Dann wieder gestückelt. Das wirkt teilweise so, als wolle man mehr in den Film stecken und wirklich nichts vergessen. Allerdings ist das Bild dadurch auch etwas überladen und gerade bei der Version mit deutschen Untertiteln weiß man dann nicht mehr wo man überall hinsehen soll.

Interessante Einblicke in die Filmbranche (5/6)

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