Regisseur Paul Thomas Anderson hat mit ONE BATTLE AFTER ANOTHER einen wilden Genre-Mix geschaffen. Was als politischer Thriller anfängt, wird zwischendrin auch eine Kifferkomödie und endet dann als packender Actionfilm. Und überraschenderweise funktioniert dieser Film als Ganzes recht gut. Nach Jahren im Untergrund vegetiert der ehemalige Revolutionär und Aktivist Bob Ferguson (Leonardo DiCaprio) im Drogenrausch vor sich hin. Die einzige Konstante in seinem Leben ist seine Tochter Willa (Chase Infiniti), die den verwahrlosten Ex-Aktivisten mehr erzieht als umgekehrt. Als der durchgeknallte Ex-ICE-Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn) nach 16 Jahren wieder auftaucht und Willa entführen möchte, muss Bob aus seiner selbstgewählten Lethargie erwachen. Gemeinsam mit seinen alten Mitstreiter*innen aus der „French 75″-Widerstandsgruppe – dem stoischen Kampfsportlehrer Sensei Sergio (Benicio del Toro) und der loyalen Deandra (Regina Hall) – begibt er sich auf eine irre Odyssee auf der Suche nach seiner Tochter.

Verschenktes Talent und ein grandioser Bösewicht
Anderson braucht eine kleine Ewigkeit, um die Vorgeschichte der Hauptfiguren und sein umfangreiches Figurenensemble vorzustellen. Wenn ONE BATTLE AFTER ANOTHER endlich Fahrt aufnimmt, muss man leider feststellen, dass Anderson seinen Hauptdarsteller sehr verschenkt. DiCaprio spielt zwar überzeugend den überforderten Vater im Ausnahmezustand, aber seine Figur bleibt dabei ohne eine nennenswerte Charakterentwicklung, was ein bißchen enttäuscht. Selbst als Bob seine Tochter endlich findet, bleibt er der gleiche bekiffte Trottel wie zu Beginn des Films. Ganz anders ist hier Sean Penn, der als rassistischer Anhänger Lockjaw eine Wahnsinnsperformance abliefert. Seine Rolle ist auch sehr viel komplexer und bekam vom Drehbuch sehr viel mehr Tiefe. Penn verleiht seinem durchgeknallten Colonel eine verstörende Mischung aus toxischer Männlichkeit und erbärmlicher Verletzlichkeit. Wenn Lockjaw seine Führungsstärke, insbesondere auch seine starke Mimik und Präsenz betont, während man gleichzeitig das armselige Würstchen dahinter erkennt, entstehen die stärksten Momente des Films.

Revolution ohne Rebellion
Immer wieder sind in ONE BATTLE AFTER ANOTHER kämpferische Parolen zu hören. Die Geschichte spielt an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, thematisiert Einwanderung und staatliche Willkür – und bleibt dabei gleichzeitig ohne eine Haltung. Weder in die eine Richtung (Kritik an ICE und Deportationen seitens der US-Regierung) noch in die andere Richtung (Aufruf zur Revolution und Widerstand gegen staatliche Willkür) lässt sich hier eine Haltung des Filmemachers erkennen. Anderson könnte hier auch eine politische Botschaft durchscheinen lassen, aber er nutzt die brisante Thematik lediglich als spannungsgeladene Kulisse für seine Vater-Tochter-Geschichte. Die wilde Mischung aus Stoner-Comedy, Actionthriller und Familiendrama funktioniert überraschend oft, stolpert aber auch über ihre eigene Ambition. Nicht jeder Handlungsstrang ergibt Sinn, manche Wendungen wirken konstruiert. Trotzdem entwickelt ONE BATTLE AFTER ANOTHER einen ganz unterhaltsamen Sog.

Zu lang geraten
So lustig es auch ist, Leonardo DiCaprio minutenlang dabei zuzusehen, wie er sich in einem geheimen Unterschlupf von Steckdose zu Steckdose hangelt, weil sein Handy dringend geladen werden muss und ihm permanent gesagt wird, dass es gerade an dieser Steckdose jetzt so gar nicht geht. Solche Szenen ziehen die Geschichte auch künstlich in die Länge. Mit 160 Minuten ist ONE BATTLE AFTER ANOTHER definitiv zu lang geraten. Hätte Anderson seinen Film noch etwas gestrafft und seiner Hauptfigur mehr Charakterentwicklung verpasst, wäre aus dem Film nicht nur ein guter Film, sondern ein sehr guter geworden. So bleibt ein kurzweilig unterhaltsamer Film, der seine Stärken hauptsächlich aus Sean Penns unterhaltsamer Performance, der absurden Geschichte und den packenden Bildern zieht.
8.5/10



