Es gibt wenig Filme, die einen ganz eigenen Ton, eine ganz eigene Stimmung haben, die man kaum erklären kann. MAPS TO THE STARS ist einer dieser Art. Eigentlich ist dieser Film ein Widerspruch in sich: eine traurige Satire, ein Horror-Familiendrama. Er hat etwas ganz Eigenes. Lacht man im ersten Moment noch über eine überzogene Handlung eines Kinderstars ist man im nächsten Moment nicht mehr sicher, ob man darüber lachen darf. Es ist diese Mischung aus gaffendem Starglotzen und Abscheu, wenn man plötzlich hinter die Fassade blickt. Dreh- und Angelpunkt ist eine typische Hollywood-Familie. Der Sohnemann Benjie Weiss (Evan Bird) arbeitet als Kinderstar, während Mutter Christina (Olivia Williams) ihren Sprössling managt. Dass der bereits mit neun Jahren in Kontakt mit bunten Pillen kam und vom Studio zum Drogentest gebeten wird, versteht sich von selbst. Vater Stefford (John Cusack) hält sich für einen Heiler, schreibt Selbsthilfebücher und drückt seinen leicht bekleideten Patienten die schlechten Erinnerungen aus dem Körper. Unter anderem auch der alternden Schauspielerin Havana Segrand (Julianne Moore), die im Schatten ihrer verstorbenen Mutter Clarice Taggert (Sarah Gadon) steht. In den ungünstigsten Momenten sucht der Geist von Clarice ihre Tochter heim, die mit Meditation und Medikamenten die unheimlichen Besuche ihrer Mutter zu unterbinden versucht. In diese aufgeladene Stimmung platzt Agatha Weiss (Mia Wasikowska), gerade frisch aus der Klinik in Florida entlassen, die sich bei Havana als Assistentin bewirbt. Aus der Ferne beobachtet sie ihre Familie, die sich von ihr völlig entfremdet hat. Zwischen Agatha und dem Chauffeur Schrägstrich aufstrebenden Schauspieler Jerome (Robert Pattinson) passt die Chemie. Aber auch ihre Liebe ist nicht von langer Dauer. In der Stadt der Engel geht es um Fressen und Gefressen werden und diese Stadt frisst ihre eigenen Kinder.
Love it or hate it
MAPS TO THE STARS muss man mögen. Sieht man sich in Internetbewertungsportalen um, dann wird der Film entweder richtig gut oder richtig schlecht bewertet. (Aber so ist das bei Steve McQueens SHAME auch). Man muss dieses Kranke, teilweise Absurde lieben oder zumindest lieben lernen. Es geht um Identitätskrisen, die sowohl junge wie gealterte Charaktere beschäftigen. Wer bin ich? Oder besser: bin ich noch wer? Wer könnte mir den Rang ablaufen? Es geht um Lügen, um jahrelangen Selbstbetrug, Heucheleien. Es geht um Inzest, der laut Regisseur auch als Metapher für einen kreativen Inszest steht. Dieselben alten Ideen werden immer und immer wieder neu aufgewärmt anstatt sich neue Konzepte zu erarbeiten. Eine ganze Industrie im Stillstand. Auch wenn Cronenberg und Autor Bruce Wagner, auf dessen eigenen Erfahrungen und Fantasie das Drehbuch basiert, völlig überzogene Figuren vorstellen, so nimmt man sie trotzdem ernst, hat man doch irgendwie das Gefühl, dass ein kleines Fünkchen Wahrheit in allen steckt. Auch die Geisterverfolgung wirkt keineswegs abwegig, da es sich hier nicht um „echte“ Gespenster, sondern vielmehr um personifizierte Schuldgefühle und schlechte Erinnerungen handelt.
Der Todentanz der Julianne Moore
Während weite Teile des Castes glänzen, geraten Robert Pattinson und Olivia Williams etwas in den Hintergrund. Trotzdem gelingt es auch ihnen ihren Rollen Tiefe zu geben. Unangefochtene Überfliegerin ist dagegen Julianne Moore, die für ihre Darstellung bereits beim Filmfest in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Ihre Version einer völlig besessenen wie skrupellosen Schauspielerin bleibt nicht nur durch den makaberen Totentanz „zu Ehren“ des verstorbenen Sohns einer Konkurrentin in Erinnerung. Sarah Gadon bildet das unschöne Spiegelbild von ihr glaubwürdig ab. Auch Mia Wasikowksa ist ein Highlight dieses Films. Diese Mischung aus Unschuld und Kalkül kann sie gut umsetzen. Man ist überrascht und geschockt, wie blutdurstig sie gegen Ende des Films sein kann. Dies und die vereinzelten Sexszenen waren sicherlich auch der Grund für eine FSK-Bewertung „ab 16“. Hervorzuheben ist ebenfalls die Leistung von Evan Bird, der in seiner Rolle als gehässiger Kinderstar völlig aufzugehen scheint. Diese abfällige Art und Weise, wie er mit seinem gesamten Umfeld einschließlich seiner Fans umgeht, die ganze Intensität seines Spiels ist für einen 13-Jährigen wirklich bemerkenswert. Der ruhige und dennoch irgendwie aufgeregte Soundtrack von Howard Shore tut sein Übriges. Cronenberg verwendet selten Totalen, auch nicht in Gesprächsrunden. Er bleibt mit der Kamera immer starr auf den Gesichtern haften und symbolisiert damit auch die Fixierung auf Stars und Sternchen. Das immer wieder repetierende Rezitieren von Gedichten. Die langen Medikamentenbestelllisten. Der verzweifelte Versuch sich hochzuschlafen. Es ist ein trauriges Bild, dass er von Hollywood zeichnet. Ein Abgesang.
Böser Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik (5/6)
Trailer: © MFA
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