Es gibt Geschichten, die sich zunächst unrealistisch anhören, aber genau so passiert sind. Der → Weihnachtsfrieden im Winter 1914 gehört sicherlich zu dieser Sorte. Die erste Kriegseuphorie der Briten, Franzosen und Deutschen hat sich angesichts herber Verluste und widriger Bedingungen in Kriegsmüdigkeit verwandelt. Die Männer wünschen sich den Frieden. Die dänische Sopranistin Anna Sörensen (Diane Kruger) schlägt dem Kronprinzen Wilhelm von Preußen (Thomas Schmauser) zur Motivation der Truppen einen Konzertabend in der Nähe der Westfront vor. So ganz ohne Hintergedanken ist dieser Vorschlag aber nicht. Ihr Freund, der Opernsänger Nikolaus Sprink (Benno Fürmann), ist dort stationiert. Nikolaus will nach dem Konzert für den Kronprinzen zurück zu seinen Kameraden an die Front um dort mit ihnen Weihnachten zu feiern. Anna begleitet ihn. Zurück im Schützengraben hören Nikolaus und die anderen Soldaten aus den französischen Gräben Weihnachtslieder, aus den schottischen Gräben erklingt Dudelsackmusik und als Nikolaus daraufhin „Stille Nacht, heilige Nacht“ anstimmt, kommt es zu einer Annährung zwischen den verfeindeten Soldaten und die Kommandeure der drei Battaillone (Daniel Brühl, Guillaume Canet, Alex Ferns) handeln eine zeitweise Waffenruhe aus.
Erschreckende Realität trifft auf romantisierende Komik
Als furchtlose Kämpfer für das Gute werden die Helden in vielen Kriegsfilmen portraitiert. Christian Carion hingegen zeigt seine Protagonisten als gebrochene Menschen. Der französische Anführer muss sich vor Angst und Anspannung übergeben, einer seiner Untergebenen tröstet sich mit einer zugelaufenen Katze, ein schottischer Soldat verliert durch feindliches Feuer seinen Bruder. Und dann ist da der Schlüsselmoment: Der deutsche Soldat, ein ehemaliger Sänger, steigt singend mit einem Weihnachtsbaum in der Hand aus dem sicheren Schützengraben und trällert den französischen und britischen Truppen ein Weihnachtslied. Dieser Soldat hieß nicht Nikolaus Sprink wie im Film, sondern Walter Kirchhoff. Genau dieser Moment, diese Szene, wirkt im finalen Film unfreiwillig komisch. Zum einen, weil Benno Fürmann nicht selbst singt und seine Singstimme (Rolando Villazón) überhaupt nicht zu ihm passt – gleiches gilt auch für die Opernstimme von Diane Kruger. Zum anderen, weil es einfach unrealistisch inszeniert ist, da die gegnerischen Truppen gleich darauf ihre Schützengräben verlassen, die drei Kommandeure währenddessen blitzschnell eine Übergangswaffenruhe aushandeln und innerhalb von fünf Filmminuten Geschenke und Spiritosen ausgetauscht werden. Auch die Tatsache, dass Diane Kruger mit eleganten Abendkleid und rotem Pelzmantel im Schützengraben und im Niemandsland unterwegs ist, wirkt ebenfalls realitätsfremd.
Liebe in Kriegszeiten
Carion verzichtet völlig auf Schuldzuweisungen, sondern konzentriert sich lieber auf die menschlichen Schicksale, die manchmal mehr, manchmal weniger detailliert beleuchtet werdet. Ein wenig zu kitschig mag auch das Drehbuch an manchen Stellen geschrieben sein. Besonders die Liebesbeziehung zwischen Nikolaus und Anna ist durchzogen mit Klischees („Lass‘ uns einfach fortgehen.“ „Ich kann hier nicht weg.“). Benno Fürmann und Diane Kruger kämpfen sich an einigen Stellen durch seichte Dialogpassagen, die einfach zu gekünstelt wirken. Ansonsten kann sich das Ensemble aber durchaus sehen lassen. In den Nebenrollen punktet besonders Gary Lewis, der als schottischer Pfarrer und Seelentröster der Truppen im Verlauf des Films zu einem wichtigen Sympathieträger und Ankerpunkt wird.
4.5/6 bzw. 7.5/6
Titelbild und Trailer: © Wildbunch Germany