Jedes Mal, wenn Christopher Nolan einen neuen Film herausbringt, scheint alle Welt auszuflippen. Denn Nolan ist bekannt dafür, dass er komplexe Geschichten erzählt, die auch das Publikum jenseits des MARVEL-Movie-Einheitsbreis fesseln. Schnell merkt man Vergleiche zu GRAVITY, der letztes Jahr erschien, sind sinnlos. Während dieser nämlich mehr Wert auf hübsche Effekte legte, zeigt Nolan, dass sich diese durchaus mit einer packenden Geschicht verbinden lassen. Die Geschichte spielt in einer Zukunft, in der 80% der Erdatmosphäre aus Stickstoff besteht. Die Erde ist staubig und früher oder später werden alle Menschen ersticken. Der alleinerziehende Joseph Cooper (Matthew McConaughey) lebt mit seinen Kindern Tom und Murph (Mackenzie Foy) und dem Großvater Donald (John Lithgow) auf einer Farm irgendwo im Nirgendwo. Die Ernte verkommt aufgrund von ausbleibendem Regen, Standstürmen oder Pflanzenkrankheiten. Murph und Cooper entdecken zufällig, dass der Staub nicht nur zufällig herumfliegt, sondern einen Code offenbart, der die beiden zu einem geheimen NASA-Standort führt. Dort erfahren sie von Amelia (Anne Hathaway) und ihrem Vater Prof. Brand (Michael Caine), das im Geheimen eine Suche nach einem anderen Planeten vorangetrieben wird, auf dem die Menschheit leben kann. Cooper, der früher NASA-Pilot war, wird kurzerhand rekrutiert und soll eine Erkundungsmission leiten, doch dafür muss er seine Familie verlassen.
Der Griff nach den Sternen
Die Inspiration dieses Films war unverkennbar 2001: ODYSEE IM WELTRAUM, auch in Hinsicht auf die technischen Möglichkeiten. Es gab kein Greenscreen, Sandstürme wurden „per Hand“ erzeugt und gigantische Setbauten machten es den Schauspielern möglich mit etwas zu interagieren. Zudem gab es Außendrehs in Kanada und Island für die Aufnahmen der fremden Planeten. INTERSTELLAR macht die Möglichkeit auf, das „da draußen“ vielleicht niemand ist, zumindest nicht in der Form, wie wir uns das vorstellen. Das Thema Glaube wird permanent indirekt thematisiert. Während Cooper zunächst noch an seine Familie denkt und ausrechnet, wieviel Erdenjahre welches Manöver bedeutet, verliert er irgendwann den Glauben an eine Rückkehr. Auch die Familie, die auf der Erde zurückbleiben musste, verliert diesen schließlich. In der wohl bewegensten Szene des Films hört Cooper Nachrichten aus 23 Erdenjahren ab. Cooper sieht, was er alles verpasst hat und beginnt bitterlich zu weinen. Ganz besonders, als sein inzwischen erwachsener Sohn Tom (Casey Affleck) erklärt, er müsse seinen Vater loslassen und aufhören ihm nachzutrauern. Der Astronaut Dr. Mann (Matt Damon), den die Rettungsmission auf einem Planeten findet, zeigt aber auch auf, wie egoistisch man werden kann, wenn man jeden Glauben verloren hat. Er klammert sich an jede kleine Hoffnung und muss hierfür auch die Konsequenzen ziehen. Desweiteren werden Themen wie Umweltverschmutzung, außerirdisches Leben, das Konzept der Zeit und das Spannungsfeld aus Wissenschaft und Religion behandelt.
Unterlegt wird alles von Hans Zimmers sehr orgellastigen und epischen Soundtrack, der hin und wieder zum Requiem verkommt und auf der Tonebene häufig falsche Fährten legt, weil man dadurch denkt, dass nun das letzte Stündchen der zu sehenden Protagonisten geschlagen hat. Das Hauptthema ist gleichzeitig traurig, aber auch wunderschön und voller Hoffnung. Vor zwei Jahren schickte Christopher Hans morgens eine Seite Text und dieser sollte daraus einen Score machen, ohne den Film zu kennen. Abends kam Christopher vorbei und hörte sich das Ergebnis des Experiments an und war begeistert. Das Grundthema wurde seitdem nicht verändert, sondern nur ausgeweitet. Damit beweist Hans Zimmer einmal mehr was für ein großartiger Komponist er ist.
Vom Cast her kann man überhaupt nicht meckern. Entgegen der üblichen Nolan-Stammbesetzung sind dieses Mal „nur“ Michael Caine und Anne Hathaway mit dabei. Dies tut der Story aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil die „neuen“ Castmitglieder (Matthew MacConaughey, Jessica Chastain, John Lithgow…) sorgen für ordentlich Abwechslung. Der Sprung zwischen den Kinderdarstellern und den erwachsenen Versionen von Coopers Kindern erfolgt einwandfrei. Man nimmt alle Figuren ernst. Zu nennen wären da noch die Computer TARS, CASE und KIPP (inspiriert von dem technischen Berater des Films Kip Thorne). Diese auf den ersten Blick eher unhandlichen Quader sorgen dafür, dass die Crew an Bord nicht durchdreht, beispielsweise durch Humoreinstellungen von 100%. Ein weiteres Motiv, das sich durch den gesamten Film zieht ist das Gedicht „Do not go gentle into that night“ von Dylan Thomas, das immer wieder rezitiert wird. Thomas hatte das Gedicht für seinen sterbenden Vater geschrieben und bekommt durch die dramatische Geschichte von INTERSTELLAR zusätzliche Tiefe.
Man muss aber leider sagen, dass → Frank Schnelle von epd Film nicht ganz unrecht hat, wenn er moniert, dass die Handlung völlig überfrachtet ist. Es steckt unglaublich viel drin und beim ersten Mal Gucken ist das unmöglich alles zu erfassen und zu decodieren. Es ist nicht so wie bei INCEPTION, wo am Ende alle Fragen geklärt sind – abgesehen vom Ende vielleicht. INTERSTELLAR verzettelt sich gegen Ende. Man kommt völlig durcheinander wo und wann man sich gerade befindet und gäbe es nicht ein paar Nerds (und in diesem Fall ist das ganz liebevoll gemeint), die sich die Mühe machen eine → Timeline für INTERSTELLAR aufzustellen, wäre man hoffnungslos verloren. Zudem ist manchmal das Handeln von Cooper nahe an der Unglaubwürdigkeit. Er glaubt seiner Tochter sofort, die einen Geist hinter ihrem Bücherregal vermutet und hinterfragt auch nicht den Binärcode und die Morsezeichen, die er zu Beginn des Films erhält. Hier taucht das Motiv des Glaubens wieder auf. Entweder der Zuschauer glaubt es oder nicht. Nichtsdestrotrotz ist INTERSTELLAR ein spannendes und mitreißendes Weltraumepos, der die Sitze des Kinos wackeln lässt. Der einen zum Nachdenken anregt. Der Spaß macht. Nicht der beste Nolan-Film, aber auch nicht der schlechteste.
Mal wieder großes Kino (5/6)
© 2014 Waner Bros. Deutschland
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