Die Welt ist im Wandel. Ganz besonders zeigt sich das in den USA. In jüngster Zeit bestimmten der Versand von Paketbomben an demokratische Politiker und ein Amoklauf in einer Synagoge die Nachrichten. Und dann wäre da noch ein Präsident, der den Klimawandel ignoriert, gegen gegen alle möglichen Personengruppen hetzt und die Spaltung des Landes auch noch befeuert. Kein Wunder, dass die Superheldenfilme gerade in den USA boomen. Nach dem Erfolg des 2004 veröffentlichten Superheldenfilms DIE UNGLAUBLICHEN kommt mit THE INCREDIBLES 2 die Fortsetzung. Nachdem sie den Superschurken Syndrome besiegt haben, kehrt bei der Superheldenfamilie Parr wieder Normalität ein. Mama Helen alias Elastigirl (Stimme: Holly Hunter) setzt sich für die Rechte von Superhelden ein, denn die gelten als illegal. Außerdem arbeitet sie weiter als Superheldin während Ehemann Bob (Craig T. Nelson) zu Hause bleibt und sich um die Kinder Violet (Sarah Vowell), Dash (Huck Milner) und Baby Jack-Jack kümmert. Dann taucht der finsterer Bösewicht Screenslaver auf.
Umgekehrte Rollenverteilung
Was direkt auffällt, ist die umgekehrte Rollenverteilung. Mama rettet die Welt, während Papa zuhause die Kinder hütet. Damit ist auch gleich erklärt, warum Elastigirl einen Großteil der Handlung bestreiten darf. Nicht aber ohne den obligatorischen Rüffel zu bekommen. Wie sie denn Familie und Beruf unter einen Hut bekäme, wird sie gefragt. Eine Frage, die Männern in der Regeln nie gestellt wird und bei der auch immer unterschwellig der Vorwurf mitschwingt, die Frau könne nicht beides gleichzeitig. In einem Interview fragt Elastigirl, warum denn immer nur die Männer die Welt retten dürfen, Frauen könnten das doch schließlich ebenfalls. In Nebenrollen sind weitere Frauencharaktere zu sehen, die durch Gesetze oder andere Umstände in eine defensive Haltung gezwungen werden. Superhelden wie die Portalöffnerin Voyd (Sophie Bush) sind ebenfalls nur narratives Mittel zum Zweck und machen sich tendenziell eher klein.
Daddy allein zuhaus
Absolut göttlich ist Mr. Incredible, der sich über weite Strecken des Films als Hausmann versucht und natürlich kläglich scheitert. Der Sohnemann Dash spielt liebend gerne mit Fernbedienungen herum. Tochter Violet ist gerade mitten in der Pubertät und hat sich einen Jungen verliebt, der sich aber nach einer Erinnerungslöschung nicht mehr an Violet erinnert. Und dann ist ja noch das Baby Jack-Jack, der immer wieder neue Superheldenfähigkeiten entwickelt. Der Kampf zwischen Jack-Jack und einem Waschbären im nächtlich beleuchteten Garten ist die beste Szene des Films. Ich verstehe nicht, warum Pixar genau diese Szene bereits auf Youtube zur freien Verfügung hochgeladen hat, aber beschweren will ich mich darüber natürlich nicht. Ein bißchen schade ist der fast sparsame Einsatz von Edna, der Modeschöpferin und Freundin der Familie. Sie bekommt die Aufgabe den gestressten Vater zu entlasten und herauszufinden, welche Superkräfte Jack-Jack hat. Nachdem diese Aufgabe erledigt ist, spielt sie leider keine Rolle mehr.
Clip: © Disney Pixar
Nicht hypnotisierend genug
DIE UNGLAUBLICHEN 2 begeistert wieder einmal mit einer grandiosen Action. Zu Beginn wird auf den Kunstgriff aus BATMAN V SUPERMAN zurückgegriffen und das Kampfgeschehen gegen Syndrome nochmal aus einer anderen Perspektive erzählt. Ansonsten folgt der Film dem einfachen Narrativ der unverstandenen Superhelden, die von der Welt verlassen, sehen müssen, wo sie bleiben. Im Prinzip hält sich der Film dabei sehr an das Konzept vom Vorgängerfilm. Als Gegenspieler wird der Screenslaver etabliert, ein Bösewicht, der mittels Bildschirme seine Opfer hypnotisiert. Darin lässt sich natürlich eine Kritik auf die Handysucht von Smartphone-Besitzern herauslesen. Aber leider bleibt der Film mit seiner Kritik nur stark an der Oberfläche. Das ist auch das Hauptproblem des Films: Es werde zu viele Referenzen gemacht ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Dem aufmerksamen Zuschauer wird dabei auch viel zu früh klar, wer der Screenslaver ist.
Fantasievolle Sets und grandiose Musik
Wirklich großartig sind die Sets. Ob es um einen Wolkenkratzer geht, der so hoch ist, dass man über die Wolken schauen kann oder um eine dekadente Millionärs-Villa mit unerwarteten Besonderheiten, man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Gepaart mit den packenden Actionszenen, den Verbiegungskünsten von Elastigirl und den vielen Fähigkeiten von Jack-Jack sind die Schauwerte tatsächlich ziemlich hoch. Für den Soundtrack war Oscargewinner Michael Giacchino verantwortlich. Mit dem orchestralen Sound mit den grellen Trompeten erinnert es ein bißchen an einen James-Bond-Soundtrack. Regisseur Brad Bird hat für den Vorgänger DIE UNGLAUBLICHEN einen Oscar für den besten animierten Spielfilm gewonnen. Für eine weitere Oscar-Nominierung wird es für diesen Film wohl nicht reichen, aber ein unterhaltsamer Film ist DIE UNGLAUBLICHEN 2 in jedem Fall.
4.5/6 bzw. 7.5/10
Trailer: © Disney Deutschland