HIDDEN FIGURES steht für den möglichen Anfang einer Zeitenwende, auch ohne einen der drei Oscars gewonnen zu haben für den der Film nominiert war. Nachdem im letzten Jahr kein einziger afroamerikanischer Darsteller nominiert war, nachdem abermals der Hashtag #OscarSoWhite zum Trending Topic wurde und einige Filmemacher aus Protest gar nicht erst zur Oscarverleihung erschienen, war dieses Jahr alles anders. Neben FENCES und MOONLIGHT war auch HIDDEN FIGURES mehrfach nominiert. Und nachdem letzterer eine späte Würdigung von großartigen, unterschätzten Talenten ist, passt er wirklich gut in diese Awardseason. Die Geschichte spielt kurz vor dem Civil Rights Act von Lyndon B. Johnson, mit dem der US-Präsident 1964 die Trennung von Schwarzen und Weißen zumindest juristisch aufhob. Katherine Goble (Taraji P. Henson) und ihre Freundinnen Dorothy Vaughan (Octavia Spencer) und Mary Jackson (Janelle Monáe) sind drei afroamerikanische Mathematikerinnen, die in der West Area Computing Unit am Langley Research Center arbeiten, wo sie Berechnungen für die NASA durchführen. Katherine wird in die Abteilung Space Task Group versetzt, die von weißen Männern dominiert wird. Unter der Leitung von Al Harrison (Kevin Costner) werden hier die Flugbahnen für den ersten Flug eines Menschen im All berechnet. Die Kollegen schikanieren Katherine täglich. Besonders Paul Stafford (Jim Parsons) legt ihr permanent Steine in den Weg. Katherines Selbstvertrauen wächst allmählich, obwohl es zwischenzeitlich den Russen gelungen ist für kurze Zeit Lebewesen ins All zu schießen.
Harrison treibt die Gruppe weiter an. Währenddessen übernimmt Dorothy die Rolle des Supervisors der “colored computers”, obwohl sie nicht dafür bezahlt wird. Als die NASA einen teuren IBM-Computer anschafft, versteht sie, dass die Tage der schwarzen Mathematikerinnen angezählt sind. Sie schult sich und ihre Mathematikerkollegen im Umgang mit der Maschine um einen Vorteil zu haben. Mary Jackson wird in eine Abteilung versetzt, welche die Raumkapseln entwickelt. Ein Kollege empfiehlt ihr, als Ingenieurin zu arbeiten. Sie bewirbt sich um eine entsprechende Stelle, es stellt sich aber heraus, dass dafür eine Zusatzausbildung erforderlich ist. Allerdings gibt es in Virginia keine Hochschule, die eine solche für Afroamerikaner anbietet. Schließlich fordert sie vor Gericht ihr Recht ein.
Physik mit Chemie
Von der ersten Szene an überträgt sich die gute Stimmung des Castes auf mich. Der Sängerin Janelle Monáe merkt man dabei kaum an, dass die Schauspielerei eigentlich nicht ihr primäres Metier ist. Sie kann locker mit Taraji P. Henson und Octavia Spencer mithalten. Die gute Laune, der Witz und die Unerschrockenheit unter den afroamerikanischen Darstellern sind ansteckend. Die Gegenseite ist dagegen bierernst und hat immer eine miese Laune. Mit Jim Parsons und Kirsten Dunst hat man eine starke Wahl getroffen. Beide Schauspieler stellen verschiedene Formen des Rassismus da. Parsons Paul Stafford habe ich in diesem Film aus vollsten Herzen gehasst, da seine Figur den Rassismus regelrecht zelebriert und sein Falschliegen auch nicht einsieht. Dunsts Figur dagegen steht für den Typ „Ich bin kein Rassist, die Gesetze sind nunmal so.“, der letztendlich Wiedergutmachung leistet. Sämtliche Formen des Alltagsrassismus werden thematisiert: von getrennten Toiletten über getrennte Wasserspender zu getrennten Eingängen bei öffentlichen Gebäuden.
Musik und Geschichte
Neben den schauspielerischen Glanzleistungen fiel mir sofort der Soundtrack positiv auf, weil man permanent mitschnippen oder -tanzen möchte. Warum wird erst in den Credits deutlich, wo die Namen Hans Zimmer, Pharrell Williams („Happy“ – ICH, EINFACH UNVERBESSERLICH 2 ) und Benjamin Wallfisch zu lesen sind. Besonders die erstgenannten sind ja was Soundtracks angeht alte Hasen und dementsprechend konnte das nur gut werden. Pharrell Williams übernahm die Musikauswahl und die Gestaltung des musikalischen Gesamtkonzeptes und komponierte zusammen mit Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch den Soundtrack. Auch wenn inhaltlich nicht alles historisch korrekt ist, so stimmt doch der Kern. Und somit macht der Film – bis auf kurze Längen – alles richtig. Der Grund, warum er keinen Oscar bekam, mag vielleicht daran liegen, dass der Film inhaltlich wie optisch glatter ist als FENCES oder MOONLIGHT, die einfach mehr an die Substanz gehen. Vielleicht sitzen die Kleider und die Frisuren der Mathegenies auch etwas zu perfekt. HIDDEN FIGURES greift das Thema Rassentrennung sehr plakativ auf, geht dabei aber mehr auf nervtötende Alltagsdiskriminierung ein statt auf brutale Bilder zu setzen. Der Film ist frei von Folter, Mord und Totschlag und in Deutschland ab 0 Jahren freigegeben.Hier kann man sicherlich meckern, wenn man möchte. Ich möchte es nicht. Ich war gut unterhalten und habe das Kino mit dem Gefühl verlassen, etwas erfahren zu haben, was ich unter anderen Umständen (also dem Geschichtsunterricht zum Beispiel) nie erfahren hätte.
5.5/6 bzw. 9/10
Trailer: © Youtube/20th Century Fox
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