Jeder, der schonmal Castingsendungen gesehen hat, der kennt sie: Die Überambitionierten. Diejenigen, die glauben, die wären die besten Sänger unter der Sonne und sobald sie das Singen anfangen, möchte man ihnen am liebsten den Mund zuhalten. In Castingsendungen gibt es Juroren wie Dieter Bohlen oder Simon Cowell, die das für den Zuschauer übernehmen und korrigierend eingreifen. Was passiert, wenn es diese korrigierende Instanz nicht gibt, davon erzählt FLORENCE FOSTER JENKINS. Im New York des Jahres 1944 könnte sich die Millionärin Florence Foster Jenkins (Meryl Streep) eigentlich zurücklehnen und entspannt ihren Reichtum genießen, doch sie strebt eine Karriere als Opernsängerin an. In kleinen privaten Konzerten tritt sie an der Seite des Pianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg) auf. Das Publikum besteht ausschließlich aus ihr wohlgesonnenen Menschen. Niemand übt Kritik an Florence, die mit schriller Stimme praktisch keinen einzigen Ton trifft. Manager und Eheman St. Clair Bayfield (Hugh Grant) unterstützt seine Frau in ihrem Vorhaben, befürchtet aber eine große Blamage, denn seine Frau möchte in der berühmten Carnegie Hall ein Konzert geben.
Kartoffelsalat in der Badewanne
Stephen Frears Biopic über die vermutlich schlechteste Opernsängerin der Welt ist genauso lustig wie es der Trailer bereits vermuten lässt. Die Eigenarten der Millionärsgattin (eine Vorliebe für Kartoffelsalat, die Liebe zur klassischen Musik, ihre Unerschrockenheit und Selbstbewusstsein) sind schon ein Brüller für sich. Abermals zeigt der Regisseur und Biopic-Experte Frears (THE QUEEN, PHILOMENA) sein Händchen für interessante Persönlichkeiten und historische Stoffe. Im Vergleich zu anderen Biopics legt FLORENCE FOSTER JENKINS auch mehr Wert auf Wahrheit und Authentizität (siehe dazu → History vs. Hollywood). Das Setdesign und die Kostüme sind ein absoluter Hingucker. Man merkt zu keinem Zeitpunkt, dass der Film hauptsächlich in London und Liverpool gedreht wurde, obwohl die Handlung im New York der 40er Jahre spielt. Insbesondere der Schluss gerät dann doch etwas zu gefühlsduselig und auch etwas übertrieben. Verzweifelt läuft hier Florence zwischen fahrenden Autos hin und her ehe sie dann die Straße überquert und in der Lobby ihres Hotels zusammenbricht. Ein bißchen weniger Pathos und Dramatik hätten den Film besser abgerundet.
Eine grandiose Besetzung
Die Besetzung trägt ebenfalls zur guten Laune bei. Es steht außer Frage, dass eine andere Schauspielerin als Meryl Streep die Rolle weder schauspielerisch noch gesanglich so gut und nuanciert hätte spielen können. Besser geht es einfach nicht. Doch auch Hugh Grant und Simon Helberg, die mit Streep allesamt für einen Golden Globe nominiert waren, sind überraschend gut. Helberg, den die meisten aus THE BIG BANG THEORY kennen werden, ist ein guter Pianist und spielt alle Stücke selbst. Seine meist treudoofen, überraschten Gesichtsentgleisungen sind genauso unterhaltsam wie Streeps schiefer Gesang. Auch Hugh Grant, der eigentlich der Schauspielerei den Rücken zugekehrt hat und nur zurückkehrte, weil ihn Frears persönlich darum bat und weil die Rolle „classy“ war (→ „It was directed by a classy director, Stephen Frears, and starred Meryl Streep – so that was easy to say yes to.„), zeigt hier, dass er mehr kann als nur den Comic Relief in einer Liebeskomödie darzustellen. Man nimmt ihm die Liebe zur seiner Filmfrau zu jeder Zeit ab. Auch wenn man sieht, dass Grant nicht der geborene Tänzer ist, meistert er seine Tanzszene wirklich gut. Zudem ist seine Figur – wie auch der restliche Cast – unfassbar vielschichtig. Denn Bayfield hatte eine „Zweitfrau“, die von Rebecca Ferguson verkörpert wird.
5/6 bzw. 8/10
Trailer: © Constantin Film
Der Film war mein Kino-Highlight des letzten Jahres. Das erste Mal, dass ich Tränen im Kino gelacht habe.
Ich habe den Film nicht gesehen, aber Dein Alias ist eines der sensationellsten überhaupt! Unfassbar und Kompliment. Habe natürlich gleich auf Deinem Blog nachgelesen, wie es dazu kam. Dass es heute noch Menschen gibt, die Bette Davis kennen und mögen … . Ich bin immer wieder überrascht. Grosse Klasse!
Ich bin sicher: von Hugh wird noch ein großes Ding kommen. Der kann viel, besetzt man ihn wie hier richtig.