Cabaret (2024)

Lieber spät als nie. CABARET habe ich zwar schon im Juni gesehen, aber bislang bin ich nie zu einer Kritik gekommen. Und dabei hat mir der Abend richtig gut gefallen. CABARET spielt im Berlin der frühen 1930er Jahre. Im Zentrum steht der amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw (Gábor Biedermann), der in die Stadt kommt und dort die Sängerin Sally Bowles (Paula Skorupa) im schillernden Kit Kat Klub trifft. Der Klub wird vom charismatischen Conférencier (Elias Krischke) geleitet, der das Publikum mit seinen provokanten Kommentaren durch den Abend führt. Vor dem Hintergrund des aufkommenden Naziterrors entwickeln sich Beziehungen zwischen den Figuren. Ihre Wünsche und Träume kollidieren mit der politischen Instabilität und die drohende Gefahr durch den Nationalsozialismus. Mit seiner packenden Mischung aus mitreißenden Shownummern und düsteren Untertönen lädt CABARET zum Nachdenken über die Parallelen zwischen damals und heute ein.

Szenenbild aus CABARET - Conférencier (Elias Krischke) - © Schauspiel Stuttgart
Conférencier (Elias Krischke) – © Schauspiel Stuttgart

Kraftvolle Darbietungen und eindrucksvolle Inszenierung

CABARET am Schauspiel Stuttgart unter der Regie von Calixto Bieito hat mich beeindruckt durch die starke Mischung aus Musik, Tanz und Schauspiel. Besonders hervorzuheben ist Elias Krischke als Conférencier. Vor kurzem habe ich in irgendeiner Kritik gelesen – ich habe wirklich 20 Minuten die Originalquelle gesucht, aber leider nicht mehr gefunden – Krischke sei ein Rockstar, der so tut als sei er ein Schauspieler. Das fand ich eine so grandiose Beschreibung, dass ich sie mir gemerkt habe. Und sie trifft auch auf seinen Conférencier zu. Ein Rockstar im Kit Kat Club. Nicht minder beeindruckend war Paula Skorupa in der Rolle der Sally Bowles. Ihre Stimmgewalt, insbesondere bei den ikonischen Musicalnummern, begeisterte und erschütterte gleichermaßen, schließlich ist Sally Sinnbild der vergnügungssüchtigen 20er Jahre und tragische Figur einer dem Untergang geweihten Epoche.

Szenenbild aus CABARET - Clifford Bradshaw (Gábor Biedermann) und Sarah Bowles (Paula Skorupa) - © Schauspiel Stuttgart
Clifford Bradshaw (Gábor Biedermann) und Sarah Bowles (Paula Skorupa) – © Schauspiel Stuttgart

Ein Gesamtkunstwerk aus Bühne, Musik und Licht

Das Bühnenbild in CABARET stammt von Calixto Bieito und Helen Stichlmeir. Es ist sowohl minimalistisch als auch eindrucksvoll und unterstützt die düstere Stimmung des Stücks perfekt. Die clever eingesetzten Licht- und Schatteneffekte verstärken die Spannung und unterstreichen die zunehmende Bedrohung durch den aufkommenden Nationalsozialismus. Die Kostüme von Paula Klein erzählen eine eigene Geschichte und spiegeln den moralischen Verfall und die zunehmende Verzweiflung der Charaktere wider. Jedes Detail, von den glamourösen Showkostümen bis zu den abgetragenen Alltagskleidern, trägt zur Authentizität und Tiefe der Inszenierung bei. Das für die Musik verantwortliche Orchester unter der musikalischen Leitung von Nicholas Kok und Michael Alber befindet sich nicht etwa im Orchestergraben, sondern direkt auf bzw. über der Bühne. Teilweise kommen auch einzelne Schauspielende nach oben und bespielen diese Fläche mit, was relativ ungewöhnlich ist.

Szenenbild aus CABARET - Clifford Bradshaw (Gábor Biedermann) und Sarah Bowles (Paula Skorupa) - © Schauspiel Stuttgart
Clifford Bradshaw (Gábor Biedermann) und Sarah Bowles (Paula Skorupa) – © Schauspiel Stuttgart

Theatererlebnis von beklemmender Aktualität

Bieitos Inszenierung besticht durch ihre Fähigkeit, die politischen Umwälzungen innerhalb des Stücks subtil, aber wirkungsvoll zu vermitteln. Die langsam, aber stetig wachsende Präsenz des Nationalsozialismus wird nicht plakativ dargestellt, sondern schleicht sich in Form von kleinen Gesten, verstörenden Zwischentönen und zunehmender Angst in den Alltag der Figuren ein. Das verleiht der Aufführung eine beklemmende Aktualität zum aktuellen Tagesgeschehen, wo man die Veränderungen vielleicht auch eher wie einen schleichenden Prozess wahrnimmt. Die Produktion erinnert eindringlich daran, wie fragil demokratische Werte sein können und wie wichtig es ist, wachsam gegenüber den Verführungen autoritärer Ideologien zu bleiben. In einer Zeit, in der politische Extreme wieder an Boden gewinnen, ist diese Inszenierung von CABARET mehr als nur Unterhaltung.

Gesehen am 1. Juni 2024 im Schauspiel Stuttgart

9/10

Bewertung: 9 von 10.

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