In den letzten Jahren lief es für Johnny Depp beruflich nicht besonders rund. Schlechte darstellerische Leistungen in storyschwachen Filmen (MORTECAI, RUM DIARY) wechselten sich ab mit betrunkenen Dankesreden bei offiziellen Anlässen. Doch dann wurde der Trailer zu BLACK MASS veröffentlicht. Er zeigt einen charakterstarken Johnny Depp in Höchstform. Auch eine Oscar-Nominierung wurde plötzlich nicht mehr ausgeschlossen. Kritiker feierten sein Comeback. Und das kann sich sehen lassen. Ähnlich wie schon im Biopic-Krimi PUBLIC ENEMIES mimt er wieder einen Gangsterboss. Im Bosten der 70er-Jahre lässt sich der FBI-Agent John Connolly (Joel Edgerton) auf einen gewagten Deal ein: Er überredet den irischstämmigen Kriminellen Jimmy „Whitey“ Bulger (Johnny Depp), einen Bekannten aus Kindertagen, zu einer Kooperation um Beweise gegen den gemeinsamen Feind, die italienische Mafia, zu sammeln. Conollys direkter Vorgesetzter Charles McGuire (Kevin Bacon) weiß um diese Verbindung und ist misstrauisch. Doch Bulger liefert tatsächlich Hinweise, die der Behörde entscheidend weiterhelfen. Doch auch Connolly liefert Jimmy immer wieder Hinweise, wenn die Behörden ihm und seinem Bruder Billy (Benedict Cumberbatch), der als Politiker tätig ist, auf den Fersen sind. Blind vom Ergeiz kommt John nicht auf die Idee, dass auch Jimmy ihn ausnutzen könnte. Der wiederum nutzt seine Privilegien aus um Verräter im eigenen Lager zu enttarnen, unliebsame Zeugen und Geschäftspartner umzubringen und schließlich zum gefürchtesten Verbrecher in Boston zu werden. Als die Presse veröffentlicht, dass Bulger mit dem FBI zusammengearbeitet hat, bricht das Kartenhaus zusammen.
Vater! Verräter! Verbrecher!
Captain Jack is back. Johnny Depp ist einfach grandios und übertrifft die Erwartungen. Er bekommt den Raum die Ambivalenz aus liebevoller Vater, Best Buddy und gefürchteter Verbrecher voll auszuspielen. Bulgers Unberechenbarkeit macht Angst. Auch die zweifelhaften Ratschläge, die er seinem Sohn beibringt („Wenn es niemand sieht, ist es auch nicht passiert.“), lassen schon den weiteren Filmverlauf erahnen. Als dessen Ehefrau und Mutter seines Sohnes ist Dakota Johnson zu sehen, was in mehrerlei Hinsicht eine zweifelhafte Castingentscheidung ist. Sie ist auch die Einzige, die schauspielerisch schwächelt und von Depp gnadenlos an die Wand gespielt wird. Benedict Cumberbatch schafft es erstmalig mit kleiner Nebenrolle eine gute Figur zu machen, soll heißen nicht in der Masse unterzugehen wie beispielsweise bei AUGUST: OSAGE COUNTY. Sein starker amerikanischer Akzent ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber jederzeit sehr staatsmännisch, passend zu einem Politiker. Als kleiner Insidergag für SHERLOCK-Fans erwähnt seine Figur einen Vorfall in der Baker Street. Joel Edgerton liefert als FBI-Agent zwischen den Stühlen eine starke Leistung ab, bleibt aber etwas hinter Depp zurück, was sicherlich auch der Rollendyamik geschuldet ist.
Der Film arbeitet gerne mit Off-Kommentaren von Informanten, die aus ihrer Sicht die Geschichte (weiter-)erzählen, was ein kluger Schachzug ist, weil es ein vielschichtiges Bild von Bulger abbildet bzw. suggeriert. Das F-Wort taucht recht häufig auf: 254 Mal, sagt die Internet Movie Database (damit aber noch weit abgeschlagen zu den 506 Malen in WOLF OF WALL STREET). Die Sprache ist so rau wie die Farbpalette, die dem Filmtitel entsprechend dunkel ist. Blau und gelb dominieren. (Weiterführende Infos zur Farbe im Film: → David Finchers Blau und Gelb; Artikel: → Why every movie looks sort of orange and blue). Selten scheint die Sonne. Dies trägt zur düsteren Stimmung im Film bei. Die Spannung bleibt von Anfang bis Ende erhalten. Hier und da wird es zwar etwas unübersichtlich wegen der vielen Charaktere, aber das ließ sich wohl nicht ganz vermeiden, schließlich basiert der Film auf wahren Begebenheiten.
Einziges Manko ist, dass der Film die Biografien der Frauenfiguren nur schwach anreißt. Sienna Millers Szenen als Catherine Greig wurden gar für die Endfassung aus Gründen der Narration → herausgeschnitten. Auch die Verbrechen Bulgers bleiben vage. Zwar wird aufgezählt, was er alles verbrochen hat, aber im Einzelnen sieht man „nur“ Morde und Geldwäsche. Da hätte man ruhig noch fünf Minuten mit einer dementsprechenden Montage reinschneiden können. (Weitere Infos zur historischen Genauigkeit auf → History vs. Hollywood). Johnny Depp hat übrigens schon bekanntgegeben, dass er keinen Oscar gewinnen will: → „I don’t want to win one of those things ever, you know.” “The idea of winning means that you’re in competition with someone and I’m not in competition with anybody.” Verdient hätte er aber trotzdem eine Nominierung.
Johnny Depp in Höchstform (5/6)
Trailer: Warner Bros. Entertainment
Oha, 5/6.
Black Mass ist für mich das schwächste Werk von Scott Cooper. Abgesehen von den guten Schauspielern und der ruhigen Inszenierung, bietet der Film ziemlich wenig. Spannung, Action und Gewalt gehören auch zum Verbrechen. In der zweiten Hälfte verlagert sich die Handlung auch zunehmend auf Joel Edgerton. Ich habe nie ein Gefühl für die White Hill Gang bekommen, das war alles zu klein und beschränkt.
Ja, das habe ich ja versucht anzudeuten. Er wird nicht genau erklärt, warum diese Bande so furchtbar war und wie ihre Stellung ist. Aber Johnny spielt gut, da sind wir uns doch einig, oder?
Ja, ich fande auch Joel Edgerton sehr gut in dem Film. Und Johnny Depp wirkt schon in Mortdecai sehr spielfreudig auf mich, auch wenn der Film selbst ja schlechte Kritiken bekommen hat.
Black Mass ist gerade bei soliden 68 bei Metacritic. Eine Nominierung als bester Hauptdarsteller halte ich mal für unrealistisch, einfach weil die Konkurrenz hier am stärksten ist. Aber das hat ja auch noch gute zwei Monate und die Oscarfilme kommen ja erst noch.
Das klingt doch schon sehr viel positiver, als was ich bisher sonst so über den Film gelesen habe. Hoffentlich werde ich dann bald auch die Möglichkeit bekommen, mir selbst eine Meinung zu bilden…
Ach ja, sind die anderen Kritiken so schlecht? Ich denke es kommt drauf an, auf was du Wert legst. Wenn mich die Schauspieler emotional mitnimmt, dann darf die Handlung auch mal kleine Löcher haben. Wenn du allerdings mehr Wert auf eine plausible Handlung legst, dann hat BLACK MASS schon ein paar Schwächen, weil einfach sehr viel weggelassen bzw. nicht erklärt wird (siehe Kommentar von Quadrataugenrunde). Ich habe mich halt hinterher eingelesen und so die Lücken gefüllt.
Also total schlecht sind sie jetzt auch nicht, aber was besonders oft erwähnt wurde, war, dass die Spannung einfach fehlen würde und es dadurch langweilig wurde, auch wenn der Rest gut war.
Oha! Ich freue mich auf diesen Film, da ich das Genre sehr schätze. Die Oscar-Nominierungen stehen an und wenn der Marktwert eines Schauspielers zu bröckeln beginnt und damit auch die Box-Office Erfolge, werden insbesondere dieser Art Filme lanciert und durch Agenten Rollen wie eben diese auf ihre Kunden zugeschnitten. Warum sonst die optische Entfremdung? Da fällt es noch leichter einem eine grosse Leistung zu unterstellen. Siehe Charlize Theron und Aileen Wuornos. Man darf aber nicht vergessen, dass die Maske in einem solchen Fall bereits die „halbe Miete“ ist. Ohne Zweifel ist Depp ein sehr guter Schauspieler, aber oft auch stereotyp in seiner Mimik und Physis. Wenn man sich Sir Laurence Olivier in ‚Der Marathon Mann“ ansieht, weiss man vielleicht was ich meine. Auch dort trug Olivier eine geringe Maske, aber seine Leistung: Phänomenal erschreckend und von Eiseskälte. Grossartig! Die Frage lautet: Wird hier auch eine dramaturgisch packende und in sich stringente Geschichte erzählt? Laut Ihres Beitrages Frau „-t“ 😀 anscheinend ja. Da bin ich sehr gespannt … .
Naja, im Falle von Johnny Depp wurde ja nicht das komplette Gesicht mit einer Maske überzogen, sondern hauptsächlich der Kopf/die Haare. Ihm deshalb „weniger Arbeit“ zu unterstellen, halte ich deshalb für falsch.
Ich fand den Film leidedr furchtbar langweilig! Der Erzählweise fehlte jeglicher Drive. Johnny Depp fand ich gut, aber die Rufe nach Oscar-Ehren (die man generell ignorieren sollte) kann ich nicht nachvollziehen. Der Film wartet mit einem enormen Cast auf, der leider in blassen Nebenrollen verheizt wird.
Der Oscar wird wahrscheinlich eh an Eddie Redmayne gehen, zumindest wenn THE DANISH GIRL so gut wird wie der Trailer.
Die Kritiken, die ich bis dato von The Danish Girl gesehen habe, waren allerdings auch eher bescheiden…:-)
Ja? Du zerstörst echt mein Weltbild. 🙁
Nicht meine Absicht. Auf den Film war/ bin ich ja selber gespannt…Aber die ersten Reaktionen waren leider nicht wirklich gut
Ok, du hast den Film definitiv besser bewertet als ich in meiner Kritik! Was Johnny angeht, bin ich definitiv bei dir – er hat endlich mal wieder bewiesen, wie gut er eigentlich in seinem Job ist. Auch die anderen Schauspieler waren großartig.
Die Stimmung hat ebenfalls gut gepasst; besonders, weil man am Anfang noch einige Gründe zum Lachen hatte, was im Lauf des Films deutlich abnahm.
Aber mir hat einfach die komplette Spannung gefehlt. Ich mein, irgendwann war ja klar, wie Bulger mit den einzelnen Personen umgeht, das war leider vorhersehbar.
Nichtsdestotrotz endlich mal wieder ein ganz guter Film mit meinem Lieblings-Johnny 🙂