Peter Jackson sagte einmal: „Schmerz vergeht, Film bleibt für immer“. Damals ging es um eine anstrengende Kampfsequenz während der Dreharbeiten zu seiner HERR DER RINGE-Trilogie. Doch er kommt einem auch in den Sinn, wenn man nun einen der letzten Filme von Philip Seymour Hoffman ansieht, der am 2. Februar 2014 starb und geschockte Kollegen wie Amy Adams sowie fassungslose Cineasten zurückließ. Und der Schmerz kommt wieder hoch, wenn man sieht welch großes Talent da verloren ging. In der Verfilmung des gleichnamigen John le Carré-Thrillers (deutscher Titel: Marionetten) spielt er den Chef einer Anti-Terror-Spezialeinheit Günther Bachmann, der vorwiegend in Hamburg operiert. Dieser wird auf den dort illegal eingereisten tschetschenischen Muslim Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) aufmerksam, der auf der Suche nach dem Geld seines Vaters ist. Über seine muslimischen Freunde bekommt er Kontakt zur Anwältin Annabel Richter (Rachel McAdams), die ihm helfen soll legal in Deutschland bleiben zu können und Zugang zum Geld seines Vaters zu bekommen. Bachmann ist alarmiert. Karpov könnte die mehreren Millionen Euro dazu nutzen um Terroranschläge zu finanzieren. Viel größere Sorgen macht ihm nur noch der Geschäftsmann Dr. Faisal Abdullah (Homayoun Ershadi), der für seine Wohltätigkeitsarbeit bekannt ist. Karpov will das Geld seines Vaters, welches er als unrein empfindet, loswerden und hierfür Abdullahs Spendennetzwerk nutzen. Doch der wird vom Verfassungsschutz überwacht, da offenbar immer wieder Geld verschwindet. Der Privatbankier Tommy Brue (Willem Dafoe) soll im Namen Karpovs die Abwicklung übernehmen. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Der amerikanische Auslandsgeheimdienst will Abdullah haben, und Karpov gleich mit, genau wie der deutsche Geheimdienst. Bachmann und seine Einheit wollen abwarten. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse.
Spionage in Hamburg
Die Fragen zur Sicherheit ist nicht neu. Was darf man tun um die Sicherheit eines Landes zu gewährleisten? Darf man manipulieren? Darf man drohen? Darf man foltern? Seit 9/11 scheinen da andere Gesetze zu gelten. Anton Corbijn zeigt, das der Beruf des Agenten nichts mit weichgespülter BOURNE– oder MISSION IMPOSSIBLE-Romantik zu tun hat. Man bekommt die Hintermänner und Endgegner nicht auf dem Silbertablett serviert, man muss suchen und die richtigen Leute kennen. Es ist mühsam. Es gibt Zuständigkeitsgerangel hinter den Kulissen. Alle sind nervös, denn keiner will sich einen Fehler erlauben. Der Film fasst diese Tristress nicht zuletzt mit dem Hamburger Stadtbild ein. Wände voller Graffitis. Versifft und zugemüllt. Trostlos. Graue Straßen von gelbbraunen Blättern bedeckt. Herbst 2012. Der Hafen, ein Kommen und Gehen. In den Himmel gewachsene Zentren der Macht. Eine Moschee gegenüber eines Sexshop. Eine Stadt voller Wiedersprüche.
Hamburger Marionetten
Eine Stadt wie seine Protagonisten. Jeder der handelnden Figuren glaubt das Richtige zu tun. Jeder hat eine Motivation, die plausibel ist. Im Zentrum des Ganzen steht Günther Bachmann, der Stratege, der Kaffee und Whiskey wie Wasser trinkt, als wäre die Arbeit anders nicht zu ertragen. Wieder eine Rolle, die Charakterkopf Hoffman auf den Leib geschrieben ist. Laut Anton Corbijn kam auch von vornherein kein anderer für die Rolle in Frage. Hoffman hat bereits in THE MASTER bewiesen, dass er einen manipulativen Anführer glaubhaft geben kann. Denn darum geht es: Manipulation. Er muss dafür sorgen, dass alle Figuren in seinem Schachspiel genau das tun, was sie tun sollen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Sie sind Marionetten, aber diejenigen, die denken, sie hätten die Fäden in der Hand, sind es ebenfalls. Angesichts dieser starken Einzelleistung geraten weitere Mitglieder des Teams wie Nina Hoss, Daniel Brühl und Kostja Ullmann etwas in den Hintergrund, was aber der Geschichte äußerst zuträglich ist. Größte Überraschung auf der Besetzungscouch ist sicherlich Herbert Grönemeyer, der neben einer kleinen Nebenrolle auch für den unaufdringlichen Soundtrack verantwortlich war. „Schmerz vergeht, aber Film bleibt für immer“ Dieser Schmerz vergeht nicht so schnell. Nicht jetzt und nicht sofort. Für THE MASTER bekam Hoffman eine Oscar-Nominierung. Hierfür ist wieder eine fällig.
Starke Einzelleistung mit deutscher Beteiligung (5/6)
© Senator
Sehr passende Überschrift dieses Artikels: „Hamburger Marionetten“. Auch die Tatsache, wie Hamburg als Stadt, als 2. Hauptdarstellerin, abseits bekannter und Hedonismus versprühender Orte, in die Handlung einbezogen wurde, wird meines Erachtens gut und richtig in diese Kritik mit einbezogen.
Auch ich bedauere das Ableben eines P.S. Hoffman sehr, ein äusserst talentierter und stets intensiv agierender Schauspieler.
Sehr guter Film!