Folter, Schmerz und Lust
Wir leben in sexuell aufgeladenen Zeiten. Braungebrannte Tänzerinnen strecken uns in Rapvideos ihre Hintern entgegen. FIFTY SHADES OF GREY wird zum Publikumshit, in dem sich schöne Menschen in hübschen Wohnungen mit extravaganten Methoden Lust bereiten. Ein absoluter Gegenentwurf scheint da HAFTANLAGE 4614 von Jan Soldat zu sein: keine edle Unterkunft und keine jungen gestählten Körper, sondern Menschen wie du und ich. Denn Arweds zahlende Gäste lassen sich freiwillig in seinem selbstgebauten Gefängnis einsperren, irgendwo in Deutschland. Dort bleiben sie dann mehrere Tage und werden von Arwed und seinem Partner Dennis schikaniert und können ihre Knastfantasien ausleben.
Der Film hat Anteile von reinem Dokumentieren der Situation, aber auch Interviews mit den „Gefangenen“ und „Wärtern“, wobei der dokumentarische Teil überwiegt. Das ist etwas schade, weil nach dem 60-Minüter noch unglaublich viele Fragen offen bleiben. Da ist man dann auf Sekundärquellen angewiesen → Interview. Auch über die „Gefangenen“ erfährt man wenig. Einer ist Chemielaborant und scheint seine Zeit im Gefängnis aus irgendwelchen Gründen tatsächlich zu genießen. Ein Begründung, warum sich Menschen in ein solches Abhängigkeitsverhältnis begeben und warum ihnen die Knasterfahrung Spaß und Lust bereitet, wird absichtlich nicht gegeben. Der Film sorgt dafür, dass sich der Zuschauer zu den gezeigten Szenen verhalten und positionieren muss. Indem er den Kinosaal kopfschüttelnd verlässt oder indem er gebannt sitzenbleibt. In jedem Fall wird der Zuschauer gezwungen sich Gedanken zu machen, egal wie die dann am Ende ausfallen. Das schaffen Filme selten. Und schon gar nicht FIFTY SHADES OF GREY.
Krass und doch irgendwie faszinierend (5/6)
1 thoughts on “Haftanlage 4614 (2015)”