Baumeister Solness (2025)

Aller guten Dinge sind drei. BAUMEISTER SOLNESS und ich haben schwer zusammengefunden. Die erste Vorstellung fiel krankheitsbedingt aus. Die zweite Vorstellung fiel aus, weil stattdessen eine Lesung gegen Rechts stattfand. Jetzt also Nummer drei. Mal sehen, ob sich die Wartezeit gelohnt hat. Der namensgebende Halvard Solness (Thomas Schmauser) steht als skrupelloser Bauunternehmer am Zenit seiner Karriere. Der Machtmensch kennt weder im Geschäft noch im Leben Grenzen und folgt stets dem Prinzip: höher, schneller, weiter. Doch die nachrückende Generation bedroht zunehmend seine Position. Sein talentierter Assistent Ragnar (Elias Krischke) versucht sich gegen ihn durchsetzen. Die Situation eskaliert, als eines Tages Hilde Wangel (Annika Neugart) vor seiner Tür erscheint und ihn mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Was geschah vor zehn Jahren, als Solness die damals zehnjährige Hilde küsste und ihr ein Königreich versprach? Warum stehen im Haus des kinderlosen Paares zwei leere Kinderzimmer? Halvards Frau Aline (Katharina Bach) wird in diesen existenziellen Konflikt mit hineingezogen.

Szenenbild aus BAUMEISTER SOLNESS - Solness (Thomas Schmauser) fühlt sich von seinem Assistenten Ragnar (Elias Krischke) bedroht. - © Gabriela Neeb
Solness (Thomas Schmauser) fühlt sich von seinem Assistenten Ragnar (Elias Krischke) bedroht. – © Gabriela Neeb

In die Höhe

Während der Aufführung bauen die sonst unsichtbaren Bühnentechniker die Kulissen stetig um. Die Inszenierung spielt geschickt mit Höhen und Tiefen – sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne. Die Darstellerinnen und Darsteller befinden sich immer wieder auf verschiedenen Ebenen des Bühnenbilds. Sie erklimmen Wände, klammern sich an Kanten fest, schauen von oben auf das Geschehen herunter, fallen und kämpfen sich wieder hoch. Diese Bewegungen funktionieren gleichzeitig als Metapher für den verzweifelten Kampf der Figuren um Halt und Perspektive in einer sich wandelnden Welt. Dieser vertikale Aspekt spiegelt Solness‘ Werdegang wider: seinen Aufstieg auf Kosten anderer und seinen drohenden Sturz. Viva Schudts Bühnenbild entpuppt sich dabei als Spiegelbild der Handlung. Aber auch auf dem Boden finden sich Symbole, die auf Solness verweisen, wie z.B. ein überdimensionales Puppenhaus, das auf Solness‘ früheres Leben und die Kinder, die er verloren hat, verweisen.

Szenenbild aus BAUMEISTER SOLNESS - Solness (Thomas Schmauser) und Frau Aline (Katharina Bach) - © Gabriela Neeb
Solness (Thomas Schmauser) und Frau Aline (Katharina Bach) – © Gabriela Neeb

Angst vor der Jugend

Thomas Schmauser verkörpert den Baumeister mit einer faszinierenden Mischung aus Autorität und in seltenen Momenten auch Verletzlichkeit. Er bringt Solness‘ Angst vor der Jugend überzeugend auf die Bühne, besonders in den Szenen mit seinen Untergebenen und Freunden, deren Ratschläge und Wünsche er kategorisch nicht ernst nimmt. Aber dieser Solness ist deshalb auch recht schnell auserzählt. Viel spannender aus Publikumsperspektive ist da Annika Neugarts Darstellung als Hilde Wangel. Sie ist Rächerin, Verführerin, Anklägerin und verkörpert das Ideale, das Traumhafte – im starken Kontrast zu Katharina Bachs bodenständiger und vielleicht auch desillusionierter, in Trauer versunkenen Aline.

Szenenbild aus BAUMEISTER SOLNESS - Hilde Wangel (Annika Neugart) - © Gabriela Neeb
Hilde Wangel (Annika Neugart) – © Gabriela Neeb

Der Besuch der jungen Dame

Obwohl die schauspielerischen Leistungen durchweg beeindrucken – insbesondere Annika Neugart als Hilde Wangel ist definitiv sehenswert – hat mich BAUMEISTER SOLNESS seltsam kalt gelassen. Das mag an der Geschichte liegen, die mich zu sehr an Dürrenmatts DER BESUCH DER ALTEN DAME erinnert hat – nur dass hier eine junge Dame den alternden Baumeister heimsucht. Die Inszenierung greift geschickt die zentralen Themen des Stücks auf. Schuld und Verantwortung durchziehen das Geschehen wie tragende Säulen. „Die Scham muss die Seite wechseln“ – dieser Satz, der unlängst im Vergewaltigungsprozess von Avignon um Giséle Pelicot traurige Aktualität erlangt hat, hallt auch hier nach. Hilde und Aline erheben am Ende des Stücks ihre Stimmen gegen den Baumeister. Sie klagen an. Brüllen ins Publikum. Dazwischen steht Solness wie ein überforderter Workaholic, der die Ereignisse um ihn herum kaum noch begreift.

Gesehen am 23. März 2025 in den Kammerspielen München

7.5/10

Bewertung: 7.5 von 10.

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