Während andere bei 30 Grad in der Sonne gefläzt haben, war ich im runtergekühlten und allein schon wegen Corona gut durchlüfteten Residenztheater. Und das Stück war thematisch passend gewählt zu den sommerlichen Temperaturen: DER KREIS UM DIE SONNE. Darin geht es um eine Party. Das Haus ist proppenvoll. Überall Menschen. Eine Altphilologie-Professorin (Ulrike Willenbacher) erzählt von alten Mythen. Die Gastgeberin (Katja Jung) bewirtet die Gäste in der Küche, ihr Mann (Thomas Reisinger) steht in der Tür und bittet alle ins Haus. Dazwischen der Kellner (Max Rothbart), der schließlich von einer kränkelnden Vielfliegerin (Carolin Conrad) angeniest wird. Die Krankenschwester Miriam (Yodit Tarikwa) und ihr Freund (Thiemo Strutzenberger) sind auch dort. Ihre Beziehung wird in die Brüche gehen, wie auch die Gläser auf dem Tablett des Kellners.
Ein Stehempfang
In dem Stück von Roland Schimmelpfennig fällt nicht einmal das Wort Corona. Vielleicht auch, weil die Handlung von DER KREIS UM DIE SONNE in einer Zeit spielt, in der die unsichtbare Viruserkrankung noch keinen Namen hat. In einer Zeit, in der man noch Witze gemacht hat. „Ich hoffe, du hast keine todbringenden Krankheitserreger in dir oder so was“ sagt die Krankenschwester, die aus dem Glas der Gastgeberin trinkt und beide lachen. Es ist eng und stickig. Die Leute stehen eng beieinander und diskutieren. Obwohl die Party aus bestimmt 40 Personen besteht, stehen nur sieben DarstellerInnen auf der Bühne, die nicht nur ihren sieben Personen eine Stimme geben, sondern immer auch mit klassischer Erzählerstimme beschreiben, wie Party verläuft. Die Illusion geklingt. Man hat trotz des spartanischen Bühnenbilds das Gefühl mittendrin zu sein. Und als Carolin Conrad anfängt zu niesen, wird das Publikum unruhig.
Kaleidoskop der Vor-Corona-Zeit
Die Handlung springt immer wieder zeitlich vor und zurück. Auch bereits gestorbene Charaktere haben noch nach ihrem Tod eine Stimme. Konversationssplitter werden teilweise mehrfach wiederholt. Das zieht die Geschichte künstlich in die Länge. Insbesondere im letzten Drittel wird es sehr langatmig. Mich beschlich auch gegen Ende ein unbefriedigendes Gefühl, denn ich habe eigentlich erwartet, dass die Wiederholungen am Ende ein größeres Bild ergeben. Das passiert aber nicht in allen Fällen. Stattdessen kommt es zu einem Suizid auf offener Bühne, der zwar schockt, aber irgendwie nicht so recht zur restlichen Handlung passen mag.
7/10
Gesehen am 18.06.2021 im Residenztheater