Das amerikanische Sprichwort war mir bis dato noch nicht geläufig. Die Katze auf dem heißen Zinndach zögert so lange herunterzuspringen bis das Dach so heiß ist, dass sie es nicht mehr aushält. Von diesem Moment des Absprungs handelt Tennessee Williams’ Theaterstück. Familie Pollitt feiert. Das Familienoberhaupt “Big Daddy” (Colm Meaney) hat Geburtstag und alle sind gekommen, allerdings nicht aus uneigennützigen Gründen. Der Betreiber einer gut gehenden Baumwollplantage ist vermögend, krank und wird vermutlich bald sterben.
Daher möchte jeder ein Stück vom Kuchen abhaben, denn ein Testament gibt es bislang nicht. Sohn Gooper (Brian Gleeson) und seine Frau Mae (Hayley Squires) sind besonders offensiv. Sie schicken ihre fünf Kinder vor, die für “Big Daddy” singen sollen. Gleichzeitig machen sie den zweiten Sohn Brick (Jack O’Connell) und dessen Frau Maggie (Sienna Miller) schlecht. Brick sei ein Säufer und Maggie ist bislang kinderlos, was als Anzeichen für eine kriselnde Beziehung gesehen wird. Gooper und Mae bringen sich stattdessen als solides Ehepaar in Stellung. Doch “Big Daddy” denkt gar nicht daran, den beiden etwas zu vererben. Viel lieber möchte er seinen Sohn Brick von dessen Alkoholsucht befreien und dann als seinen Nachfolger etablieren.
Nackt und textreich
Müsste ich das Stück in einem Slogan zusammenfassen, dann wäre es “Nackte Tatsachen und sehr viel Text.”. Kommen wir zunächst mal zu den den nackten Tatsachen. Die Duschstange im Hintergrund, die wahrscheinlich nicht ohne Grund ein bißchen an eine Poledance-Stange erinnert, wird des öfteren entweder von Sienna Miller zum Räkeln oder von Jack O’Connell zum Duschen benutzt.
Mal nackt, mal halb angezogen. Ich erinnere mich nicht daran, schonmal jemals eine so freizügige NT-Live-Übertragung gesehen zu haben. Auch Sienna Miller zieht in der letzten Szene blank. Hübsch ausgeleuchtet, sodass man hauptsächlich ihren Schatten sieht. Sienna bringt mich auch zu dem Punkt “viel Text”. Im ersten Akt muss sie nahezu ununterbrochen reden. Das ist als Zuschauer enorm anstrengend, da sie nicht nur viel redet, sondern auch mit amerikanischen Akzent spricht, was es mir als Nicht-Muttersprachler nicht unbedingt einfacher gemacht hat. Mir tat auch ein bißchen Jack O’Connell leid, aber immerhin durfte er die Textflut mit Augenrollen, lustlosem Fläzen im Bett oder exzessivem Duschen kommentieren.
Der Kampf um Einfluss und Geld
Obwohl das Schauspiel in allen Belangen erstklassig ist, hat mich die Inszenierung absolut nicht abgeholt. Das Bühnenbild ändert sich kaum. Der Text ist wie schon erwähnt sehr eintönig und zunächst passiert vergleichsweise wenig. Es gibt nur wenige Szenen, die mir auch noch Tage später im Gedächtnis geblieben sind, wie etwa der Moment in der Brick mit einer seiner Krücken auf Maggie losgeht.
Am Ende des Stücks liegen auf der Bühne ein zerstückelter Geburtstagskuchen und hunderte Eiswürfel. Man hätte durchaus subtilere Mittel für diesen Familienstreit um’s Erbe finden können.
3.5/6 bzw. 6/10
Trailer: © National Theatre Live
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