Chile ist von Deutschland ganz schön weit weg, nicht nur geografisch. Hierzulande kennt man das Land allenfalls von Reisedokumentationen oder als Exil vom Ehepaar Honecker – zumindest geht das mir so. Daher war mir die Geschichte der Colonia Dignidad so gar kein Begriff. Ich erinnere mich auch nicht daran, das jemals im Geschichtsunterricht durchgenommen zu haben. Glücklicherweise hat Regisseur und Co-Autor Florian Gallenberger einen Film zu dem Film gemacht, den ich beim Kinostart aber leider verpasst habe. Seine Protagonisten, das deutsche Paar Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl), geraten 1973 in Chile während des Militärputsches in die Gefangenschaft der chilenischen Militärpolizei.
Lena kommt nach kurzer Zeit wieder frei. Daniel wird in den Süden des Landes verschleppt. Dort soll er in einem völlig abgeriegelten Dorf, der Colonia Dignidad („Kolonie Würde“), leben. Die vom zwielichtigen Laienprediger Paul Schäfer (Michael Nyqvist) geführte Siedlung soll nach außen den Anschein einer wohltätigen Zwecken dienenden Gemeinde erwecken. In Wahrheit arbeitet Schäfer und seine Gemeinschaft mit Diktator Pinochet zusammen, für den er die Gefangenen verhört, foltert und auch tötet. Niemand hat den Ort jemals lebend verlassen. Obwohl Lena nicht weiß, ob sie Daniel dort wiederfindet, schleußt sie sich in die religiöse Sekte ein.
Liebe in den Zeiten der Unterdrückung
Die Figuren von Lena und Daniel sind zwar fiktiv, dennoch basiert COLONIA DIGNIDAD auf wahren Begebenheiten. → Paul Schäfer und seine strengreligiöse Glaubensgemeinschaft gab es tatsächlich. Prinzipiell ist es immer gut den Blick auf historische Ereignisse zu legen, die von der Weltöffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. COLONIA DIGNIDAD ist der Versuch den Opfern von Folter und Misshandlung ein Gesicht zu geben. Ein Versuch, der leider scheitert.
Emma Watson und Daniel Brühl spielen sichtlich angestrengt gegen das eindimensionale Drehbuch, dass erst wirklich anfängt zu punkten, als Lena freiwillig in die Sekte eintritt. Dann wird es auch spannend und interessant. Bis dahin versucht der Film zu krampfhaft, dass sich der Zuschauer mit Lena und Daniel identifiziert. Dem Film gelingt der Spagat zwischen Mahnmal und Unterhaltungskino, zwischen Liebesfilm und Wir-gegen-den-Rest-Drama nicht. Dabei kommt er schlichtweg nicht auf den Punkt. Die politischen Zusammenhänge zwischen Schäfer und Pinochet werden nur am Rande erwähnt. Ein bißchen mehr Einordnung und ein bißchen weniger Liebeskitsch hätten dem Film besser gestanden.
Der furchteinflößende Michael Nygvist
Florian Gallenberger gelingt es die Zustände in der Colonia Dignidad in aller Deutlichkeit gut zu beschreiben und zu zeigen. Genau wie Lena wird man als Zuschauer in diese fremde Welt mit ihren ganz eigenen Gesetzen geworfen.
Anstatt den Fokus aber dauerhaft auf den Alltag der Bewohner der Colonia zu legen, geht sehr viel von der Wucht der Geschichte durch die Liebesbeziehung von Lena und Daniel verloren. Mit zunehmender Länge war ich von den Liebesbekundungen und den Fluchtversuchen einfach nur genervt, denn die eigentlich zu verhandelnden Themen wie Beschimpfungen, Machtmissbrauch und die Misshandlung von Frauen und Kindern geraten dabei zu sehr in den Hintergurnd. Vielleicht liegt das an einer fehlenden Chemie zwischen Emma Watson und Daniel Brühl, vielleicht aber auch einfach am mauen Drehbuch. So genau konnte ich das nicht ausmachen. Grandios ist hingegen der viel zu früh verstorbene Michael Nygvist. Der Wahnsinn, das Charisma und die Doppelmoral von Paul Schäfer sorgen in gewissen Szenen doch dazu, dass man sich doch um die Einwohner der Colonia Dignidad sorgt.
4/6 bzw. 6.5/10
Trailer: © Majestic Filmverleih
Den fand ich auch nur so lala. Irgendwie wusste man nie so genau, was der Film eigentlich will. Eher Liebesgeschichte, eher Drama? Aber immerhin lernt man eine Anekdote der Zeitgeschichte kennen, die wohl nur wenigen bekannt ist. Auch wenn man für nähere Informationen dann doch woanders recherchieren muss.