Es war einmal ein Erstlingsfilm eines italienischen Filmregisseurs. Der entstand im Jahr 1942 und wurde kurz nach seiner Veröffentlichung von der faschistischen Zensur konfisziert und das Negativ des Films vernichtet. OSSESSIONE, so der Titel, gilt als eines der ersten Werke des italienischen Neorealismus, die sich gegen das realitätsfremde Unterhaltungskino richteten. 75 Jahre später bringt das National Theatre den Stoff von Luchino Visconti , der auf dem Roman des US-Amerikaners James M. Cain beruht, auf die große Bühne. Hier lernt der Landstreicher Gino (Jude Law) in einer Gaststätte Hanna (Halina Rejin) und ihren Mann Joseph (Gijs Scholten van Aschat) kennen. Hanna und Gino verlieben sich ineinander und beginnen eine Affäre, die sie vor Joseph geheim halten können.
Gino überredet Hanna mit ihm zusammen wegzugehen, doch auf der Flucht entscheidet sich Hanna zu ihrem Mann zurückzukehren, während Gino weiterzieht. Einige Zeit später treffen Joseph und Hanna wieder auf Gino und die gefährliche Dreierkonstellation beginnt von neuem. Kurz darauf ermorden Gino und Hanna gemeinschaftlich deren Ehemann. Während Gino von Schuldgefühlen geplagt wird, blüht Hanna plötzlich auf. Ohne den störenden Ehemann fühlt sie sich so frei wie nie zu vor.
Motoröl und freie Oberkörper
Das nahezu zweistündige Drama, das ohne Pause auskommt, lebt in erster Linie von der schauspielerischen Präsenz der drei Protagonisten. Jude Law auf die Rolle des mundharmonikaspielenden Frauenverführers zu besetzen, ist sehr passend, schließlich hat er schon seit Jahren (auch im Privaten) den Ruf, ein wahrer Frauenheld zu sein. Die Rollen der Hanna und Joseph sind mit niederländischen Schauspielern besetzt, da die Produktion eine Zusammenarbeit des Barbican Theatre und der Toneelgroep Amsterdam ist. Das Setting ist sehr spartanisch, in Ansätzen ist ein Tresen, eine Werkstatt und ein Bad erkennbar.
Ortswechsel gibt es wenige und wenn, dann werden die mit einer überdimensionalen Leinwand durchgeführt, wo z.B. Wellenrauschen heraufprojiziert wird. Apropos Wasser: Ivo van Hove hat offenbar eine Vorliebe dafür farbige Flüssigkeiten von der Decke regnen zu lassen. In A VIEW TO THE BRIDGE war es ein gesprühter Blutregen, hier ist es pechschwarzes Motoröl. Die Anziehung zwischen Jude Law und Halina Reijn ist spürbar. Das weibliche Publikum darf sich auch über einen meist leicht bekleideten Jude Law freuen. Während die Optik stimmt, dauert es leider sehr lange bis sich die eigentliche Handlung aufbaut. Ich persönlich hätte mir eine Pause gewünscht, auch wenn diese nur 10 Minuten dauert. Immer wieder singen die Protagonisten italienische Lieder – ob das eine Anspielung auf den Film ist, kann ich leider nicht beurteilen, weil ich den Film noch nicht gesehen habe. Manchmal empfand ich das aber als störend, weil es von der Handlung abgelenkt hat.
4.5/6 bzw. 7.5/10
Trailer: © NT Live