Es ist diese Frage, die ich mir beim Verlassen des Kinos gestellt habe. Die Frage, auf die ich auch 20 Minuten später keine Antwort gefunden habe als ich gedankenverloren in meinem Mittagessen herumgestochert habe: “Warum funktioniert dieser Film nicht?”. Ich habe das Buch nicht gelesen, auf dem dieser Film basiert. Ich war unvoreingenommen, kannte die Story nicht, mag die Schauspieler. Und trotzdem: dieser Film funktioniert nicht für mich.
Die Geschichte ist zunächst sehr märchenhaft. Mae Holland (Emma Watson) bekommt durch ihre Freundin Annie (Karen Gillan) einen Job bei dem bekannten Online-Unternehmen „The Circle“. Durch den neuen Job kann sie nicht nur die Krankenhausrechnungen ihres Vaters (Bill Paxton) bezahlen, sondern wird Zeuge neuer innovativer, technischer Erfindungen. Die 24-Jährige wird mit offenen Armen in die Gemeinschaft der „Circler“ aufgenommen und nimmt an zahlreichen Firmenaktivitäten teil. In „The Circle“ kennt jeder jeden, die Identitäten der Mitarbeiter sind für die anderen „Circler“ frei zugängig und innerhalb der Firma wird die angestrebte vollkommene Transparenz nicht nur propagiert, sondern kurz darauf auch durchgeführt. Möglich macht’s eine kleine Kamera, die hochauflösende Bilder von jedem Ort übertragen kann. Eamon Bailey (Tom Hanks) und Tom Stenton (Patton Oswalt) , die Geschäftsführer von „The Circle“, sehen darin eine Möglichkeit Wissen weltweit zugänglich zu machen. Skeptisch sind nicht nur Maes Eltern, sondern auch ihr Kindheitsfreund Mercer (Ellar Coltrane) und der Circle-Kollege Ty (John Boyega). Doch Mae ist von dem Konzept der völligen Transparenz begeistert und lässt sich freiwillig durch die neue Technik überwachen.
Die Naive und der Rattenfänger
Ich habe inzwischen einige Kritiken überflogen. Manche stören sich an der → Kurzweiligkeit der Handlung, den Logiklöchern, den narrativen Schwachstellen oder Klischees. Ich störe mich am Casting. Das wurde mir allerdings erst nach einigem Nachdenken klar. Insbesondere das Casting von Emma Watson mag angesichts des Filmausgangs nicht so recht passen. Seit Jahren ist Emma Watson für mich die fleißige, kluge Hogwarts-Schülerin. Ein Image, das sie auch abseits der Leinwand pflegt: Sie ist UN-Sonderbotschafterin für Frauenrechte und → versteckte Bücher an U-Bahnhöfen in Paris und London.
Und so sehr ich mich darüber freue, das Hollywood eine weibliche Hauptrolle vergeben hat, so passt das Filmende nicht zu dem Image, das Watson für sich beansprucht. Eine intelligente Frau wie Watson würde sich niemals einer derartigen Überwachung aussetzen. Mae bleibt bis zum Ende der Idee des transparenten Menschen treu. Es gibt keinen Wendepunkt oder eine Veränderung der Motivation – auch nach einem doch sehr traumatischen Erlebnis. Völlig gegensätzlich verhält es sich mit Tom Hanks als entspannter Steve-Jobs-Verschnitt. Der Sympathieträger gibt den charismatischen Rattenfänger und Tech-Guru. Und hier passt das besser. Hanks ist einfach ein netter Typ, der gut reden kann. Kein Wunder, dass alle Circler ausflippen, sobald er eine neue Firmenidee vorstellt – und sei es noch so eine kontroverse.
Der Horror der totalen Überwachung
Lediglich auf der Toilette ist die Kamera für drei Minuten aus. Ansonsten lässt sich Mae den ganzen Tag überwachen. Doch schon bevor sie diesen radikalen Schritt für ihr Leben wählt, ist ihr Leben überwacht. Die Circler wissen alles übereinander.
Das propagierte Ziel des transparenten Menschen ist innerhalb des Unternehmens schon Realität. Es bekommt einen Wert, einen Zahlenwert. Was in dieser schicken High-Tech-Welt auffällt, ist die Affinität zu Zahlen. Die Kunden können die Qualität des Beratungsgesprächs mit einer Punktzahl bewerten, was wiederum an den Berater zurückgemeldet wird. Auch der Grad der Teilnahme an innerbetrieblichen Veranstaltungen wird durch den PartiRank (Participation Rank) gemessen. Trotz dieser starken Fokussierung auf Rankings und Zahlen thematisiert der Film das nicht weiter. Es ist einfach da. Und hier tut sich auch ein großes Problem des Films auf. Denis von Filmtogo.net schreibt: „The Circle hält also an jeder Ecke diesen Denkanstoß bereit, ohne ihn mit dem Horror versehen zu können, den der Film gerne heraufbeschwören möchte. “ Im Klartext: Der Film kommt häufig mit einer Idee oder These um die Ecke, die dann am Ende nicht mehr weiterverfolgt wird und dadurch auch an Aussagekraft verliert. Der Film wirkt wie eine Aneinanderreihung von → TED-Talks. Nur eine, die keine Lösungen anbietet, sondern nur Probleme aufzeigt und danach nicht weiter thematisiert.
3.5/6 bzw. 6/10
Trailer: © Universum Filmverleih
Ich hatte von dem Moment an Bedenken, als ich hörte, das Emma Watson die Rolle der Mae übernimmt. Die Mae aus dem Buch stellte ich mir ganz anders vor als Ms. Watson. Ich bin aber auch schon im Buch mit der vollkommen naiven Art der Protagonistin nicht klar gekommen. Demgegenüber fand ich den Charakter des Ex-Freundes um Längen interessanter. Einzig die Idee eines alles beherrschenden Unternehmens klingt immer noch spannend. Jetzt muss sich nur noch jemand finden, der das filmisch besser umsetzt.