Zu Premieren gehe ich ja doch eher selten. Besonders nicht, wenn es dabei um die Premiere eines Theaterstücks geht. Aber bei einer hochkarätigen Besetzung wie dieser sollte man nicht wählerisch sein, noch dazu wenn doch die Möglichkeit eines Autogramms besteht. In dieser umgekehrt erzählten Liebesgeschichte von Harold Pinter treffen sich Jerry (Charlie Cox) und Emma (Zawe Ashton) und reden über ihre frühere heimliche Affäre. Im Verlauf des Gesprächs kommt heraus, dass Emmas Ehemann Robert (Tom Hiddleston) seit kurzem von der Affäre der beiden weiß. Jerry und Robert sind schon seit Jahren Geschäftskollegen und Freunde und so sucht Jerry Robert auf um mit ihm darüber zu reden. Es stellt sich heraus, dass Robert schon weitaus länger von der Affäre weiß. Dies ist der Ausgangspunkt für die rückwärts erzählte Liebes- bzw. Entliebungsgeschichte. BETRAYAL erzählt, wie sich die Beziehung der drei über die Jahre verändert. Wie die Affäre zerbricht und wie sie überhaupt erst entstand.
Spartanisch und trotzdem wirkungsvoll
BETRAYAL ist von allen Stücken, die ich während meiner Theaterwoche Anfang März 2019 gesehen habe, das unspektakulärste. Das Bühnenbild ist recht einfach gehalten. Ein paar Stühle, ein paar Gläser und Flaschen, ein Korb mit einem Tischtuch darin. Da braucht es natürlich Darsteller, die diese visuelle Leere füllen können. Und da kommt man natürlich sofort auf das Ensemble zu sprechen, das in diesem Fall wirklich großartig ist. Auch wenn Zawe Ashton vergleichsweise unbekannt ist, steht sie „Daredevil“ Charlie Cox und „Loki“-Darsteller Tom Hiddleston in nichts nach. Dennoch muss man sagen – und ich kann das, weil ich den direkten Vergleich habe – wirkt das Stück am besten je näher man an der Bühne sitzt. Es sind die kleinen Momente, die Gesten, eine Träne, die von der Wange herunterkullert, das Zittern am ganzen Körper. All das sieht man in den hinteren Reihen nicht oder muss es sich dazudenken. Daher ist abzuwarten, ob da nicht vielleicht auch eine NT-Live-Übertragung kommt. Der Name Tom Hiddlestonsollte doch genügend Leute in die Kinos locken.
Nähe und Weite
Zu Beginn der Inszenierung ist auch durch die räumliche Entfernung der Schauspieler eine Entfremdung der Charaktere zu beobachten kann. Ein gelungener Kniff von Regisseur Jamie Lloyd ist aber dabei, dass der jeweils Betrogene immer mit auf der Bühne steht. Dadurch wird „der Andere“ auch visuell ausgeklammert. Das führt aber mitunter zu einer ungewollten Komik. Wenn beispielsweise Emma und Jerry verliebt herumturteln und Robert direkt dabei sitzt und unbeteiligt ins Publikum schaut. Aber auch der Text von Harold Pinter ist durchzogen von Sarkasmus und bittersüßem Humor. Ich hatte im Vorfeld schon das Stück auf Deutsch gelesen und bin trotzdem am Premierenabend mit dem Stück nicht ganz warm geworden, aber das mag auch am einfachen Thema liegen. Es geht nicht um eine Metapher oder kein großes Überthema, nein, es geht einfach nur um diese drei Menschen und ihre Beziehungen untereinander. Beim zweiten Mal hat mir das Stück dann aber besser gefallen. Allerdings hätte ich die Rollen getauscht. Das Wesen von Robert passt nicht so recht zu Tom Hiddleston. Richtig begründen kann ich diesen Eindruck nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich beim Lesen des Stücks Tom instinktiv auf die Rolle von Jerry „besetzt“ habe. BETRAYAL ist übrigens vom Leben inspiriert. Harold Pinter, damals selbst verheiratet. hatte sieben Jahre lang eine heimliche Affäre mit einer verheirateten Frau.
Gesehen am 5. und 6. März 2019 im Harold Pinter Theatre, London
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