Der Wolf kehrt zurück in die deutschen Wälder. Nachdem er nahezu ausgerottet war, gibt es inzwischen wieder 60 Wolfsrudel, die meisten davon in Brandenburg. Der Wolf spielt auch im Drama WILD der Berliner Filmemacherin Nicolette Krebitz eine prominente Rolle. Hier trifft die schüchterne, alleinlebende Ania (Lilith Stangenberg) auf dem Nachhauseweg einen Wolf. Das Erlebnis ist nur ein flüchtiger Moment: der Wolf verschwindet nach kurzem Blickkontakt wieder im Wald. Für Ania ändert dieses Aufeinandertreffen aber alles. Sie will den Wolf wiederfinden. Kurze Zeit später gelingt es ihr das Tier einzufangen und sperrt es in ihrer Hochhauswohnung ein. Das Zusammenleben mit dem Wolf bestimmt fortan Anias Leben. Dabei gerät ihr bisheriges Leben, der stumpfsinnige Bürojob, der nörgelnde Chef (Georg Friedrich) und das Verhältnis zu ihrer Schwester Jenny (Saskia Rosendahl) stark in den Hintergrund. Mehr und mehr entdeckt Ania ihre eigene animalische Seite: Die Lust auf Sex wächst, das Interesse an sozialen Normen sinkt.
Wild, unangepasst und verstörend
Es gibt Szenen, die hat habe ich noch nie auf einer Leinwand gesehen. WILD liefert da durchaus ein paar eindrückliche Vorschläge. Das Bild, dass ich am wenigsten wieder aus dem Kopf kriege, ist die Szene mit dem Menstruationsblut. Da folgt der Wolf einer Spur aus Menstruationsblut, die Ania ihrem tierischen Mitbewohner bereitwillig überlassen hat, zum Ursprung. Einen schlabbernder Wolfskopf zwischen den Beinen einer lustvoll stöhnenden Frau – das ist definitiv ein Novum für mich. WILD als “unkonventionelles Drama” zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahres. Zwischen all den seichten Rom-Coms und Historienschinken – wahlweise über den Ersten und Zweiten Weltkrieg -, die das deutsche Kino sonst so fabriziert, ist dieser Film tatsächlich eine Rarität. Um ehrlich zu sein, wundert es mich, dass die Filmförderanstalten für so ein sperriges Werk überhaupt Geld geben haben.
Zähe Metamorphose
Nichtsdestrotrotrotz fand ich den Film etwas zäh. Der Film nimmt sich zu viel Zeit mit der Exposition. Aber auch später, wenn die Einleitung eigentlich abgearbeitet ist, nimmt der Film zu wenig Fahrt auf. WILD hangelt sich von einem absurdem Moment zum nächsten. Dazwischen ist das große Nichts. Obwohl Lilith Stangenberg eine phänomenale Leistung hinlegt, kann auch sie über die Pausen in Krebitz’ Drehbuch nicht hinwegtäuschen. Trotzdem ist man ganz bei ihrer Figur, auch wenn man die persönlichen Motive ihres Handelns nicht immer nachvollziehen kann. Genau das macht der Film auch gut: er entsagt sich völlig einer Wertung und überlässt das dem Zuschauer.
3.5/6 bzw. 6.5/10
Trailer: © NFP
Ich bin noch immer ziemlich angetan von dem Film, weshalb der damals bei Sichtung auch eine eigene Kritik erhielt: https://stepnwolf.wordpress.com/2016/05/21/r-wild-von-woelfen-und-menschen/