Wakefield (O, 2016)

Es ist schon irgendwie traurig. Da schaue ich einfach mal interessehalber nach, wer diese Perle in Deutschland ins Kino gebracht hat, nur um dann kurz darauf festzustellen: bislang keiner. Trotz Bryan Cranston, Jennifer Garner und einer fantastischen Geschichte wollte kein deutscher Verleiher den Film in die Kinos bringen. Das Filmfest München hat es aber getan. Und so muss man ja direkt dankbar dafür sein, dass Bryan Cranston dieses Jahr mit dem Cinemerit Award ausgezeichnet wurde, was den großen Vorteil hatte, dass noch einmal das künstlerische Schaffen des Preisträgers ausgiebigst gewürdigt wurde. So auch WAKEFIELD. Basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von E. L. Doctorow wird die Geschichte von Howard Wakefield (Bryan Cranston), einem erfolgreichen Anwalt in New York, erzählt. Er lebt in einem gepflegten Vorort zusammen mit seiner Frau Diana (Jennifer Garner) und den zwei Töchtern. Als er eines Abends spät nachts nachhause kommt, entdeckt er einen Waschbären, der sich auf dem Dachboden der Garage versteckt hat. Wakefield will das Tier eigentlich nur vertreiben. Kaum ist das erledigt, wirft er einen Blick aus dem Fenster. Er hat direkten Blick auf die Küche, auf seine Frau und die Kinder.

Howard Wakefield (Bryan Cranston) – © Filmfest München 2017

Am Tag zuvor hatten Howard und Diana einen Streit und die schlechte Laune ist Diana  immer noch anzusehen. Howard entschließt sich erst einmal auf dem Dachboden zu bleiben. Am nächsten Morgen sieht er wie seine Frau und die Kinder den Alltag meistern. Mit Neugier beobachtet er wie ein Leben ohne ihn aussehen würde. Er stellt fest, dass seine Familie auch gut ohne ihn zurecht kommt und beschließt weiter auf dem Dachboden zu bleiben. Mit sadistischer Freude sieht er zu wie sich seine Frau zunehmend Sorgen um den Verbleib ihres Mannes macht. Es kommen Freunde und Verwandte, die Diana trösten wollen, doch nichts hat Erfolg. Howard hat keinesfalls Mitleid mit seiner verzweifelnden Frau, vielmehr macht sich dieser sogar noch über seine Frau und deren Verhalten lustig.

Das Grauen der Vorstadt

Und nicht nur über sie, das Leben in der Vorstadt ist für ihn ein Gräul und das Ausbrechen aus dem Alltag empfindet er als Befreiungsschlag. Damit steht WAKEFIELD in der Tradition von Filmen wie AMERICAN BEAUTY oder THE STEPFORED WIVES, die ebenfalls das Leben im Vorort ins Lächerliche ziehen. Bryan Cranston gelingt es, diese widersprüchliche Figur zum Leben zu erwecken. So ganz klar ist es nicht, was man von Howard halten soll. Mal ist man vollkommen dabei, wenn er etwa zunächst vermutet gleich könnte ein Mann seiner Frau, die vor dem Haus steht und weint, als Zeichen der Höflichkeit ein Taschentuch anbieten. Stattdessen geht der Mann einfach nur nach draußen um ein Telefonat anzunehmen. Hier lacht man mit Howard, der den Flegel gleich mit einem verbalen „Son of a bitch“ abstraft.

Sich aus der Gleichung nehmen

Man versteht total dieses Gefühl sich selbst aus der Gleichung nehmen zu wollen und Cranston spielt die Rolle einfach derart gut, dass man ihn einfach mögen muss. Auf der anderen Seite ist das, was er tut, moralisch höchst fragwürdig und man wird als Zuschauer zum unfreiwilligen Komplizen. Der Off-Kommentar von Cranston spricht den Zuschauer immer wieder an. Auch der Voyeurismus des Zuschauers wird angesprochen. Nicht nur durch Formulierungen wie „Look at that“. Man blickt nicht nur hinter die Fassade einer 15-jährigen Ehe, sondern auch in das Leben von Howard und Diana. Der Off-Kommentar ermöglicht dem Zuschauer auch Howard besser einzuschätzen.

Filmstill aus WAKEFIELD - Diana und Howard streiten - © Filmfest München 2017
Diana und Howard streiten – © Filmfest München 2017

Die stärksten und gleichzeitig lustigsten Momente hat der Film, wenn Howard Gespräche im Haus, die er selbst unmöglich hören kann, neu vertont und laut überlegt, worüber die Personen im Haus wohl sprechen. Man solle ihn nicht verurteilen, sagt er zu dem Zuschauer, schließlich müsse er sich ja von nun an von Abfällen und Müll ernähren um der Polizei keine Anhaltspunkte für sein Wohlaufsein zu liefern. Wie der Waschbär, den er am ersten Abend verjagen wollte, durchstreift er nachts die Straßen und sucht nach Essen. So richtig Mitleid hat man nicht mit ihm, so ganz egal ist einem das Schicksal dieses unkonventionellen Protagonisten aber auch nicht. Gegen Ende wird die Geschichte etwas zäh und auch ziemlich unlustig. Die finale Szene entschädigt diese Wartezeit aber wieder.

5/6 bzw. 8/10

Trailer: © IFC Films

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