Enttäuscht bin ich dann schon. Tarantinos achter Film, das Meisterwerk, das Kammerspiel von dem alle redeten, hat mich nicht wirklich begeistert. Nach DJANGO UNCHAINED war THE HATEFUL EIGHT für Tarantino ein weiterer Ausflug ins Westerngenre. Die Handlung spielt einige Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg in Wyoming. In einer Kutsche Richtung Red Rock sitzen der Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell), dessen Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh), der Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson), der ebenfalls als Kopfgeldjäger arbeitet, und der zukünftige Sheriff von Red Rock, Chris Mannix (Walton Goggins). Aufgrund eines Schneesturms legen sie einen Zwischenstopp in Minnies Miederwarenladen ein. Dort treffen sie zwar nicht auf Minnie, aber auf den mysteriösen Mexikaner Bob (Demián Bichir), den Cowboy Joe Gage (Michael Madsen), auf General Sandford ‘Sandy’ Smithers (Bruce Dern) und auf den Briten Oswaldo Mobray (Tim Roth). Was auf den ersten Blick wie ein zufälliges Zusammentreffen von Fremden in einem vergessenen Winkel der Welt wirkt, wird bald zum Kampf um Leben und Tod, denn einige Protagonisten möchten Daisy aus den Händen des Kopfgeldjägers befreien.
Der Film, der erst gar nicht gedreht werden sollte
Nicht nur Sony hatte 2014 mit einem Datenleck zu kämpfen, sondern auch Regisseur und Drehbuchautor Quentin Tarantino. Bereits zu Beginn des Jahres tauchte ein erster Entwurf von THE HATEFUL EIGHT im Internet auf. Zunächst drohte Tarantino wutentbrannt damit, dass Projekt zu verwerfen und das Drehbuch schlicht als Buch zu veröffentlichen. Der erste Zorn verflog und der Film wurde tatsächlich doch noch gedreht. Tarantino-Filme waren nie so ganz meins. Ich habe zwar einige der acht Filme gesehen, aber eher weil ich es musste (Studium) oder aus Gruppenzwang. Ich mag Tarantinos Geschichten, die Charaktere und den Witz, aber die Gewalt war mir immer zu brutal und teilweise auch unnötig. Von allen Filmen, die ich bisher von ihm gesehen habe, war das einer der Schlechteren. Es dauert eine halbe Ewigkeit bis die Handlung ein bißchen in Fahrt kommt. Ich hatte schon erwartet, dass es einfach ein bißchen dauert bis die Action startet, aber selbst in der Hütte angekommen, hält man sich mit Small Talk und sinnlosem Geplänkel auf anstatt auf den Punkt zu kommen. Offenbar hat Tarantino mit INGLORIOUS BASTERDS und DJANGO UNCHAINED seine Vorliebe für Christoph-Waltz-Figuren entdeckt, denn Tim Roth erinnert schon arg in Aussehen und Auftreten an Hans Landa und Dr. King Schultz.
Channing Tatum ist mein Til Schweiger
Der absolute Negativ-Höhepunkt war dann [mild spoiler ahead] als Channing Tatum aus der Bodenlucke gekrochen kam. Channing Tatum. In einem WESTERN? Wer kam denn bitte auf die Idee? Da passt so gar nichts. [Rießenspoiler ahead] Wenigstens wird er gleich erledigt. Mir fiel ein Zitat des Kabarettisten Urban Priol ein. Der meinte über Til Schweiger: „Sein bester Film war INGLORIOUS BASTERDS. Er hatte drei Sätze und wurde danach erschossen.“ Für Tatum passt das auch. Zumindest fasst dieses Zitat meine Gefühlslage gut zusammen. Aus handwerklicher Sicht gibt es wenig bis gar nichts zu Bemängeln: Setdesign und Kostüme sind top und die Musik von Ennio Morricone ist klasse. Der wollte eigentlich nicht mit Tarantino zusammenarbeiten, weil er die Verwendung seiner Musik in DJANGO UNCHAINED nicht mochte. Nach einem Umdenken tat er es dann allerdings doch und Morricone gewann 2016 einen Golden Globe und einen Oscar für die beste Filmmusik. Außerdem konnte sich Kameramann Robert Richardson bei den Oscars über ein Nominierung in der Kategorie „Beste Kamera“ freuen. Das auch völlig zu Recht. Hätte Tarantino auch noch eine packendere Story dazu geschrieben, wäre das eine runde Sache gewesen.
3.5/6 bzw. 6/10
Trailer: © Universum Film
Auch wenn ich den Film nicht ganz so kritisch sehe wie du, muss ich schon sagen, dass Tarantino mittlerweile ziemlich stark schwächelt. Ich habe immer das Gefühl, dass er seinen Ideen keine Zeit mehr gibt, sich wirklich zu entwickeln. Alles ist einfach „Tarantino“ und fertig. Es wirkt immer so, als ob er einfach ein paar Charaktere für seine Lieblingsdarsteller schreibt und dann irgendwie eine Geschichte drumrumfuckelt, damit die auch was zu tun haben. Ich hoffe mal, dass bei den letzten beiden von ihm doch noch ein echter Knaller rum kommt. Die Hoffnung schwindet allerdings immer mehr.
@Filmschrott: Absolut korrekt. Das liegt an dem ungerechtfertigten Medien-Hype um seine Person. Quentin Tarantino hat im Grunde nur zwei Filme gemacht, die der Erwähnung wert sind, der eine war gut, der andere herausragend:
– Reservoir Dogs
– Pulp Fiction
Alles andere war: Filmschrott.
The Hateful Eight reiht sich darin ein. Bedauernswert, wenn man bedenkt, welche technischen (optischen) und künstlerischen (Morricone) Möglichkeiten ihm zur Verfügung standen … .
Das ist allerdings auch zu hart. Jackie Brown ist beispielsweise auch ein hervorragender Film. Basterds ist auch nicht wirklich scheiße, nur etwas zu lang.
Das Problem mit Tarantino ist eher dieses dauernde sich selbst und andere zitieren. Dadurch treten seine eigenen Ideen zu stark in den Hintergrund und werden nicht ausgebaut. Der Mann könnte richtig gute Filme machen, wenn er mal aus seinem eigenen Kreis ausbrechen würde.
Basterds & Brown sind Beispiele für die Kommerzialisierung eines einstigen filmischen Visionärs und Ideengebers. Ich stimme weiterhin zu: Um sich als Regisseur weiter zu entwickeln bedarf es einer inneren Evolution, die Tarantino schlicht verpasst hat. Er hätte seine eigene Auffassung vom Kino stringent fortführen sollen. Um bei The H8Full 8 zu bleiben: Das was wir sehen, ist im Western-Genre wiederholt gezeigt worden, hier wird es nur mit den stilistischen Mitteln des „Who Dun It“ arg verquast in die Länge gezogen. Agatha Christie meets Western. Da haben wir es wieder. Zitate und Genre-Fusion. Wozu benutzt er dieses optische Verfahren, um doch nur im Innern einer Scheune zu drehen? Da ist das Argument vieler Journalisten mit der Ironie nicht stichhaltig genug und man sieht in der Verteidigung von Tarantino’s Wahl: Bloß nicht am Fundament dieses Regisseurs ruckeln. Im Grunde beruhigen sich die Schreiberlinge selbst. Sie wollen es nicht wahrhaben, dass Tarantino sein Pulver verschossen hat. Was für famose Möglichkeiten T. mit dieser Kamera und einem Kameramann wie Robert Richardson gehabt hätte! Siehe dazu, zwar nicht im gleichen Kontext, die grandiose Fotografie eines Emmanuel Lubezki: Von atemberaubender Schönheit! Dann bekommt er auch noch die Möglichkeit mit einem Meister der Filmmusik zusammenzuarbeiten und vergeigt das auch noch. Wieviel verschleudertes Talent! Er sollte wieder dorthin zurückkehren, wo er bei Kill Bill aufgehört hat, den hatte ich vergessen zu erwähnen, wobei Teil I um Längen besser ist als der zweite. Oder er sollte ganz aufhören. Pulp Fiction ist in die Geschichte eingegangen. Dieser Regisseur sollte nicht anfangen, sich selbst zu demontieren.
Kill Bill fand ich beispielsweise wieder nicht so toll. Und klar, H8teful8 vermischt nur Versatzstücke, die es schon tausendmal gab, aber das ist ja nun auch nichts neues mehr, dass das mittlerweile jeder macht. Problem ist nur, dass die Auflösung einfach extrem schwach ist und dadurch das Who Dunnit komplett verpufft. Bis dahin fand ich das nämlich durchaus gut inszeniert.
Und sind wir doch mal ehrlich: Eigentlich macht Tarantino einfach immer noch das, was er immer gemacht hat. Er hat auch schon in Pulp und Dogs mit Zitaten und Verweisen hantiert, weil das nun mal sein Ding ist. Der Unterschied ist halt, dass es da noch nicht so ausgelutscht war. Ich mag seine Filme immer noch, sie könnten halt nur viel besser sein, wenn er sich einfach mal die Zeit nehmen würde, wirklich am Script zu feilen, anstatt den ersten Entwurf direkt zu nem Film zu verwursten.
Aber wenn man ihm glauben schenken darf, kommen ja ohnehin nur noch 2 und dann will er sich aus dem Filmgeschäft zurückziehen.