The Dead Don’t Hurt (2023)

In Viggo Mortensens THE DEAD DON’T HURT erwartet den Zuschauer kein typischer, actiongeladener Western mit wilden Schießereien und galoppierenden Pferden. Stattdessen entfaltet sich ein behutsam erzähltes Drama, das die Konventionen des Genres sanft unterwandert. Der Film spielt in den 1860er Jahren und folgt der Geschichte von Vivienne Le Coudy (Vicky Krieps), einer unabhängigen Frau, die sich in einer Kleinstadt niederlässt. Dort trifft sie auf Holger Olsen (Viggo Mortensen), einen dänischen Einwanderer. Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefe Bindung. Doch ihre Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt, als Holger beschließt, in den Amerikanischen Bürgerkrieg zu ziehen. Während Holgers Abwesenheit muss Vivienne sich gegen die Avancen von Westen Jeffries (Solly McLeod), den Sohn eines einflussreichen Geschäftsmannes, wehren. Trotz aller Widrigkeiten bleibt sie standhaft und kämpft für ihre Unabhängigkeit.

Szenenbild aus THE DEAD DON'T HURT - Holger Olsen (Viggo Mortensen) - © Marcel Zyskind/Alamode Filmverleih
Holger Olsen (Viggo Mortensen) – © Marcel Zyskind/Alamode Filmverleih

Frauenfigur im Mittelpunkt

Vicky Krieps glänzt als Vivienne und demonstriert eine beeindruckende Bandbreite in ihrer Darstellung. Sie verkörpert überzeugend sowohl die gebildete Frau, einfühlsame Mutter als auch das trotzige Vergewaltigungsopfer. Interessanterweise wollte Viggo Mortensen ursprünglich gar nicht die männliche Hauptrolle spielen. Der Schauspieler, der die Rolle eigentlich spielen sollte, verließ relativ kurzfristig die Produktion um an einem anderen Film zu arbeiten. Krieps schlug Mortensen vor, die Rolle selbst zu spielen. Und das war gute Entscheidung. THE DEAD DON’T HURT zeichnet sich durch ein Geflecht aus drei Zeitebenen aus. Viviennes Leben wird fragmentarisch von ihrer Kindheit bis über ihren Tod hinaus beleuchtet. Das gemächliche Erzähltempo mag Fans klassischer Western langweilen oder überraschen, passt aber perfekt zum gefühlvollen Porträt der charakterstarken Vivienne. Den Film hat Mortensen wahrscheinlich nicht ohne Grund seiner Mutter gewidmet.

Szenenbild aus THE DEAD DON'T HURT - Holger (Viggo Mortensen) und Vivienne (Vicky Krieps) - © Marcel Zyskind/Alamode Film
Holger (Viggo Mortensen) und Vivienne (Vicky Krieps) – © Marcel Zyskind/Alamode Film

Fernab von wilder Action

Mortensen, den die meisten als Schauspieler aus Filmen wie DER HERR DER RINGE kennen, zeigt hier seinen zweiten Spielfilm. In THE DEAD DON’T HURT beweist er ein feines Gespür für Rhythmus und Atmosphäre. Der Film schreitet gemächlich voran und lädt das Publikum ein, in eine Welt einzutauchen, in der die Stille oder das Heulen des Windes oft lauter spricht als Worte und die inneren Kämpfe der Charaktere mehr Gewicht bekommen als äußere Konflikte. Mit seiner behutsamen Inszenierung gelingt es Mortensen die Feinheiten und kleinen Gesten der Figuren stark in Szene zu setzen. Ein besonderes Detail ist Viviennes Einfluss als Blumenhändlerin. Je nachdem, in welcher der drei Zeitebenen man sich befindet, ist das gemeinsame Haus mit Holger entweder noch gar nicht, ein bißchen oder sehr üppig bepflanzt.

Szenenbild aus THE DEAD DON'T HURT - Holger (Viggo Mortensen), Vivienne (Vicky Krieps) und Vincent (Atlas Green) - © Marcel Zyskind/Alamode Film
Holger (Viggo Mortensen), Vivienne (Vicky Krieps) und Vincent (Atlas Green) – © Marcel Zyskind/Alamode Film

Landschaftspoesie und Lagerfeuerromantik

THE DEAD DON’T HURT besticht durch wunderschöne Landschaftsaufnahmen und eine hervorragende Kameraarbeit von Marcel Zyskind. Im Film sind vier verschiedene Sprachen zu hören, die auch teilweise miteinander kombiniert werden. Die Verwendung verschiedener Sprachen trägt zur Authentizität der multikulturellen Gemeinschaft bei. Die kammermusikähnliche Filmmusik, die ebenfalls von Viggo Mortensen stammt, wirkt gelegentlich etwas zu dominant im Vergleich zu den ruhigen Bildern. Ein weiterer Schwachpunkt ist der eindimensional gezeichnete Antagonist Weston Jeffries. Er ist in erster Linie einfach nur ein „rich kid“, der glaubt, ihm gehöre die Welt. Auch wenn Solly McLeod schauspielerisch einen soliden Job macht, bleibt seine Figur etwas farblos und ist halt einfach nur böse, damit die Hauptfiguren jemanden zum Interagieren haben. THE DEAD DON’T HURT überzeugt dennoch durch seine starke Hauptdarstellerin, die vielschichtige Erzählstruktur und die visuelle Gestaltung. Und vor allen Dingen mit einem ungewöhnlichen Western.

Am 21. November 2024 erscheint der Film auf DVD und Bluray.

8/10

Bewertung: 8 von 10.

1 thoughts on “The Dead Don’t Hurt (2023)

  1. Ja, der hatte in seinem Erzähltempo und der Bildsprache durchaus auch Anleihen an klassische Western (stellenweise auch Italowestern), weshalb es irgendwie auch konsequent ist, den Antagonisten eher stereotyp zu zeichnen. 😉

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