Es ist schon irgendwie bezeichnend, dass ausgerechnet der Königsmacher Steve Bannon von seinem eigenen Zögling entlassen wurde. Und es war wohl ein absoluter Glücksfall für die Dokumentarfilmerin Alison Klayman, dass sich Bannon in dieser Zeit von ihr begleiten ließ. THE BRINK zeigt, dass so ein Rausschmiss für einen wie Bannon noch nicht das Ende bedeutet. Er trommelt sämtliche Globalisierungsgegner in Europa zusammen und möchte mit ihnen eine zweifelhafte Koalition führen. In Europa trifft sich Bannon mit Politikern wie Nigel Farage, Marie Le Pen, Jair Bolsonaro und Viktor Orban. Bannon möchte in Europa eine Organisation namens “The Movement” gründen. Diese Organisation soll die nationalistischen Organisationen der einzelnen Länder unterstützen und zusammenführen. Im Hinblick auf die Europawahl 2019 möchte er so ein Drittel der Plätze im EU-Parlament mit nationalistischen Abgeordneten besetzen.
Was will der Mann?
Ohne Zweifel: Bannon hat eine Agenda. Doch diese wird trotzdem nicht klar. Und das obwohl die Kamera wirklich sehr nahe an ihm dran ist. Häufig ist er in Großaufnahme zu sehen. Die Augen in einem Buch oder auf seinem Handy. Vielleicht bin ich auch immun für den “Charme” dieses Redners. Ich verstehe die Faszination um diesen Mann nicht. Auch dieser Film konnte daran nichts viel ändern. Die vielen Leute, die sich aufrichtig freuen, ihn zu sehen. Auf mich wirkt Bannon wie ein Menschenfänger. Einer, der sich seiner Sache zu sicher ist. Unheimlich. Bedrohlich. Nicht unbedingt jemand, mit dem ich im Aufzug steckenbleiben möchte. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich mit dem Konzept des Nationalismus nichts anfangen kann. Wir leben einfach in einer globalisierten Welt. Der Klimawandel macht nicht an Ländergrenzen Halt. Migration auch nicht. Ich verstehe nicht, warum Abschottung da die Lösung aller Lösungen sein soll. Ich verstehe deshalb auch Bannon nicht.
Meine Helden: Journalisten
In THE BRINK gibt diesen einen flüchtigen Moment, wo ich lauthals applaudieren wollte. Paul Lewis, seines Zeichens “Reporter des Jahres 2010” und Journalist beim Guardian, trifft sich in Venedig mit Bannon. Und er macht verdammt nochmal seinen Job. Er schaut → völlig entgeistert, als Bannon erzählt, er halte Propaganda für etwas Gutes. Und als sich der Übersetzer einmischt, sagt: „You are an interpreter, not an interviewer. We are not interested in your opinion right now.“ Heilige Scheiße, der Mann ist gut und auch durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Man möchte ihn knutschen. Das gilt auch für die Moderatorin von “Good Morning Britain” Susanna Reid, die Bannon → relativ hart angeht und auf die US-Toten durch Waffen und Trumps Reaktion auf die Proteste in Charlottesville anspricht. Und das obwohl sie in der gleichen Sendung wie Ekelpaket und Donald-Trump-Freund Pierce Morgan sitzt. Doch am Ende bleibt ein faules Gefühl im Magen zurück. Der Film konnte mir nicht die Faszination von Bannon erklären, er hat mir aber stattdessen Angst gemacht. Weil ich weiß, dass Bannon bei vielen Menschen offene Türen einrennt. Weil ich jetzt weiß, wie gut er vernetzt ist und was das für Demokratien bedeuten kann, wenn er diese Kontakte bündelt. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass Klayman ihr Dokumentarobjekt “geknackt” hat.
4/6 bzw. 6.5/10
Trailer: Magnolia Pictures & Magnet Releasing