Manchmal fehlt einfach der Zugang. Im letzten Jahr habe ich DIE WOLKEN VON SILS MARIA gesehen und obwohl mir der Film gefiel, steht eine Kritik zu diesem Film noch aus, weil ich gar nicht so richtig wusste, was ich über den Film von Olivier Assayas schreiben sollte. Jetzt lag also der Screener zu PERSONAL SHOPPER auf dem Tisch und auch diese DVD lag lange herum, weil ich Angst hatte mit dem Film wieder nichts anfangen zu können. Und in den ersten fünfzehn Minuten schien sich dieser Anfangsverdacht auch zu bestätigen. Doch der kann täuschen.
Die Geschichte handelt von der Amerikanerin Maureen (Kristen Stewart), die in Paris lebt. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als persönliche Shopping-Assistentin der Modedesignerin Kyra (Nora von Waldstätten). Maureen hasst den Job zwar, hegt aber insgeheim auch eine Faszination für die oberflächliche Modewelt. Doch Kündigen kommt für sie nicht infrage. Maureen möchte mit dem Reich der Toten, genauer gesagt mit ihrem kürzlich in Paris verstorbenen Zwillingsbruder Lewis, in Verbindung treten. Sowohl Maureen als auch Lewis haben sich sehr für Spiritualismus interessiert und Lewis hielt sich für ein Medium. Plötzlich bekommt sie seltsame SMS-Nachrichten von einer unbekannten Nummer. Ist es Lewis oder gibt es eine irdische Erklärung? Kyras Freund Ingo (Lars Eidinger) hat nämlich ein Auge auf Maureen geworfen.
Rede mit mir!
Was wirklich auffällt, ist der starke Fokus auf Kommunikation. Ganz egal ob verbale oder non-verbale Kommunikation, der Film thematisiert den Austausch von Informationen. Maureen ist andauernd im Kontakt mit handgeschriebenen Notizen, SMS, Youtube-Videos, Bahnhofsdurchsagen, Schildern und Labels, Malerei sowie der Kontakt mit der Geisterwelt. Und auch Mode, die immer auch einen klaren Subtext hat: Schaut mich an, ich bin jemand. Gelungen ist dieser Stilmix der Kontaktformen.
Kristen Stewart, die in ihrer Rolle meistens in langen weiten Pullovern herumläuft, zeigt allein schon dadurch ihre Ablehnung des Materialismus. Zwischen all den topgestylten Modeberatern und -designern wirkt sie bereits optisch wie ein Fremdkörper. Aber nicht nur hier, sondern auch im Umgang mit Verwandten und Freunden. Vielleicht ist es auch die Trauer um ihren Bruder und die Angst vor dem eigenen Tod, die Maureen zu der Wahl einer wollenen Wohlfühlklamotte animieren.
Trauer braucht Zeit
Wie schon gesagt, die ersten fünfzehn Minuten hätte man auch auf zwei kürzen können. Auch die wiederkehrenden Aufnahmen, in denen Kristen Stewart auf einem Roller durch Paris fährt, hätte man auf ein erträgliches Maß minimieren können. Als Maureen Ingo erzählt, sie sei eine Art Medium, war das für mich der Moment mental auszusteigen. Hier hatte mich der Film kurzzeitig verloren. Als Maureen wie auch der Zuschauer kurz darauf Zeuge einer Geistererscheinung werden, war ich wieder mit an Bord. Der Film kommt erst so richtig in Fahrt als Maureen anonyme Nachrichten geschickt bekommt. Erst dann entfaltet die Geschichte ihre Kraft und plötzlich ist jeder verdächtig. Kommen die Nachrichten vielleicht von Kyras undurchsichtigen Freund Ingo? Lars Eidinger bietet die perfekte Projektionsfläche. Die Auflösung am Ende ist alles andere als klar. Der Film ist nicht unbedingt ein Mindgame-Film, aber man wird selbst beim zweiten und dritten Sehen nicht ganz nachvollziehen können, was Realität und Einbildung ist. Scheinbar bedeutungslose Hinweise werden in den letzten Momenten noch einmal wichtig und ließen mich mit einem offenen Mund und vielen Fragezeichen zurück. Das ist auch völlig in Ordnung. Filme, die einen noch Tage beschäftigen, muss es schließlich auch geben. PERSONAL SHOPPER ist kein einfacher Film, den man mal schnell nebenbei schauen kann. Er braucht einfach Zeit. Wie die Trauer von Maureen.
4.5/6 bzw 7/10
PERSONAL SHOPPER ist ab 23. Juni 2017 auf DVD und Blu-Ray erhältlich. Zur Erstellung der Kritik wurde mir von Weltkino freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf meine Wertung.
Trailer: © Weltkino Filmverleih
Wir sehen den Film tatsächlich sehr ähnlich. Das ist ein Fall, wo ich auf eine Zweit- oder Drittsichtung sehr gespannt bin. Aber allein dafür am Ende eben nicht alles zu beantworten und mit einer hübschen Schleife zu versehen verdient Assayas (gerade in der heutigen Zeit, wo es immer unbeliebter scheint irgendetwas unbeantwortet und damit zumindest diskussionswürdig zu lassen) eine Schippe Respekt.