Zwei Monate ist nun der HAMLET-Hype her und endlich ist auch wieder Platz im Kino. Keine hysterischen, übermotivierten Cumberbatch-Fans mehr. Wieder nur die üblichen Verdächtigen, die auch ohne Hype gekommen wären. Kein Shakespeare, dafür Charlotte Brontë. Deren Heldin Jane Eyre (Madeleiner Worall) wächst als Waise in ärmlichen Verhältnissen auf. Reiche Verwandte hatten versprochen, sich nach dem Tode ihrer Blutsverwandten um sie zu kümmern. Doch die verwitwete Mrs. Reed (Maggie Tagney) und ihre drei Kinder behandeln Jane schlecht und lassen sie sehr deutlich spüren, dass sie auf einer tieferen sozialen Stufe steht. Als die Spannungen auf Gateshead eskalieren, wird Jane in das Internat Lowood geschickt, das von dem strengen Mr. Brocklehurst (Craig Edwards) geleitet wird. Trotz der widrigen Bedingungen, gewinnt sie aber eine ältere Schülerin, Helen Burns (Laura Elphinstone), als Freundin, doch die verstirbt. Nachdem Mr. Brocklehurst wegen bekanntgewordener Verfehlungen von der Leitung des Instituts entbunden wird, verbessern sich die Verhältnisse dort. Jane erarbeitet sich durch ihren Fleiß eine Vertrauensposition und bleibt nach dem Ende ihrer eigenen Schulzeit als Lehrerin in Lowood. Nach einiger Zeit gibt sie ein Inserat auf und tritt eine Stellung als Gouvernante für ein französisches Mädchen auf Thornfield Hall an. Auf Thornfield beginnt das Leben sehr ruhig. Neben ihrer Arbeit verbringt Jane die meiste Zeit mit der alten Hauswirtschafterin, Mrs. Fairfax (Maggie Tagney). Aber alles verändert sich, als Mr. Rochester auf seinem Anwesen eintrifft. Jane und er gewinnen schnell Respekt voreinander, während sich in manchen Nächten sonderbare Ereignisse abspielen, in deren Verlauf mehrere Personen, darunter Mr. Rochester selbst, verletzt werden. Nach einigem Hin und Her gestehen sich Rochester und Jane ihre Liebe und wollen heiraten. Die Hochzeit selbst wird allerdings durch einen Anwalt unterbrochen, der verkündet, Mr. Rochester sei bereits verheiratet. Seine geistesgestörte Frau sei Bertha Mason (Melanie Marshall), eine Kreolin aus Jamaika, die versteckt auf Thornfield Hall lebe. In Reue bietet Mr. Rochester Jane an, mit ihm trotzdem ins Ausland zu fahren und trotzdem mit ihm zu leben. Aber Jane ist nicht bereit dazu, ihre moralischen Anschauungen und ihr Selbstwertgefühl zu opfern. Obwohl Rochester sie anfleht und erklärt, nicht ohne sie leben zu können, bleibt Jane bei ihrer Haltung. Sie flieht mitten in der Nacht und fast mittellos aus Thornfield, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden soll.
Always on the run – NT Live/Credit: Manuel Harlan
It’s a girl!
In Zusammenarbeit mit dem Bristol Old Vic wurde die Aufführung, die dort in zwei Teilen (insgesamt viereinhalb Stunden!) aufgeführt wurde, für das Londoner National Theatre neu arrangiert. Insgesamt dauert das Stück nun satte drei Stunden plus 20 minütige Pause. Das Stück beginnt etwas verwirrend, denn Madeleine Worrall spielt alle Stadien der Jane Eyre (Baby-Kind-Erwachsene) selbst. Es wirkt befremdlich, wenn eine Erwachsene Babygeschrei nachahmt oder wie im Fall von Craig Edwards einen Hund. Das Set ist sehr spartanisch und verändert sich zu keinem Zeitpunkt. Das Holzkonstrukt aus Leitern, Treppen und Plattformen zwingt den Zuschauer sich vieles vorzustellen. Auch Requisiten gibt es vergleichsweise wenig. Die Liveband, die das Stück unaufdringlich, aber dennoch spannend musikalisch untermalt, ist auch Teil des Bühnenbildes.
Das Wechseln von Kleidungsstücken geschieht während dem Stück, häufig mit musikalischer Begleitung; eine Praxis, die man infrage stellen könnte. Die Inszenierung geht fast gar nicht auf die Klassenunterschiede ein, die Teil der Romanvorlage sind. Dafür steht mehr Janes Leidensweg im Vordergrund. Insgesamt ist viel Bewegung auf der Bühne. Im hetzenden Gruppenlauf geht es von Station zu Station. Die meisten Schauspieler spielen mehrere Rollen, was es zusätzlich zum minimalistischen Setdesign manchmal schwierig macht, zu wissen, wen man jetzt gerade vor sich hat. Zusätzlich werden auch die inneren Stimmen von Jane an manchen Stellen externalisiert. Auch dies wird von anderen Schauspielern mitübernommen. Melanie Marshall singt eine Opernvariante von „Crazy“ (Gnarls Barkley). Ihre Rolle ist von vornherein sehr unklar. Sie wird immer von der Band begleitet, hält sich aber nicht dezent im Hintergrund, sondern fällt bereits durch ihr rotes Kleid sehr auf. Erst gegen Ende wird klar, wer sie ist. Während die Chemie zwischen Rochester und Jane zum Ende der ersten Hälfte noch nicht wirklich zu sehen sehen ist, punkt die zweite Hälfte mit einem fantastisch-lustigen Heiratsantrag in „Romeo-und-Julia“-Manier. Die Geschichte nimmt in der zweiten Hälfte dann nochmal richtig Fahrt auf.
Hat doch ganz schöne Längen (4/6)
Trailer: © National Theatre
Ich hatte auch etwas mit der Länge zu kämpfen.