Lucy (OmU, 2014)

Der Zehn-Prozent-Mythos beschreibt die Annahme, dass jeder Mensch nur zehn Prozent seiner Gehirnfähigkeit nutzt. Obwohl diese Annahme bereits wissenschaftlich entkräftet wurde, wird gerne in filmgewordenen  Gedankenexperimenten wie z.B. OHNE LIMIT damit gespielt und die Frage aufgeworfen, zu was die Menschen instande wären, wenn sie 100 Prozent nutzen würden. Luc Besson erzählt die Geschichte der 25-jährigen US-Studentin Lucy (Scarlett Johansson), die in Taiwan lebt. Richard, ihr Freund, den sie erst kürzlich kennengelernt hat, überredet sie einen Koffer mit unbekanntem Inhalt in einem Hotel abzuliefern. Der Koffer gehört dem koreanischen Gangsterboss Mr. Jang (Min-sik Choi) und enthält eine neue Droge: synthetisches CPH4. Gegen ihren Willen wird Lucy und drei Männern jeweils ein Paket mit der Droge in den Unterleib implantiert um so das CPH4 nach Europa zu schmuggeln. Lucy findet sich bald angekettet in einem Container wieder, wo ihr einer von Jangs Helfern infolge eines Kampfes in den Unterleib tritt.

Der Drogencocktail, der Wissen schafft

Das Päckchen mit den Drogen platzt daraufhin und sorgt dafür, dass die Droge teilweise in Lucys Körper freigesetzt wird. Die Substanz sorgt dafür, dass sich Lucys Leistungsfähigkeit im Gehirn steigert und ihre Intelligenz kontinuierlich zunimmt. Zudem bekommt sie auch übermenschliche Kräfte, doch nur solange, wie die Droge in ihrem Blutkreislauf zirkuliert. Lucy macht sich auf die Suche nach den anderen drei Paketen und kann durch die Hilfe des französischen Beamten Pierre (Amr Waked) alle Drogenpäckchen sicherstellen. Außerdem stellt sie Nachforschungen über ihren Zustand an und hat innerhalb weniger Stunden alle relevanten Themen gelesen. Anschließend kontaktiert sie den Wissenschaftler Samuel Norman (Morgan Freeman), der mit seiner Forschung Lucys neue Fähigkeiten schon theoretisch bewiesen hat. Lucy reist nach Paris um die restlichen Drogenpäckchen an sich zu nehmen und der Menschheit ihr neuerlangtes Wissen weiterzugeben. Doch sie hat ihre Rechnung ohne Mr. Jang gemacht.

LUCY - Gangsterboss Mr. Jang (Min-sik Choi) - © Universal Pictures
Gangsterboss Mr. Jang (Min-sik Choi) – © Universal Pictures
Der Mensch wird Gott

Natürlich ist die Vorstellung verlockend, durch eine magische Substanz ohne großes Zutun schlauer zu werden. Aber alles hat seinen Preis. Lucy spürt dies, wenn die Wirkung des blauen Pulvers nachlässt. Sie beginnt sich aufzulösen. Interessanterweise ist genau das auch ihr „Ende“. Bei einer Gehirnaktivität von 100% kommt es zu einer Begegnung zwischen Lucy und ihrer Vorfahrin. Beide berühren sich mit den Fingern, was ganz klar eine Anlehnung an Michelangelos Fresko „Die Erschaffung Adams“ (Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom) ist. Dies passt auch zur Geschichte, da sie bei dieser Gehirnaktivität im Grunde Gott ist. Auch die Aussage von Lucy „I am everywhere“ und die Möglichkeit durch Zeit und Raum zu reisen, spricht dafür. Sie nennt Pierre auch an einer Stelle, er sei ein „Reminder“. Das kann man auf zwei Arten verstehen. Zum einen ist er eine Erinnerung an ihre menschliche Seite, die zunehmend verschwindet. Auf der anderen Seite ist er aber auch ein Augenzeuge, eine lebende Erinnerung, was mit Lucy passiert ist. Um im Gottesbeispiel zu bleiben: Pierre ist Lucys Jünger. Dafür spricht auch, dass er sie im finalen Showdown  verteidigt, auch wenn er sie kaum kennt, sondern nur die „Wunder“, die sie dank der Drogen tun kann. Apropos Drogen: Spinnt man den Gedanken weiter, sagt der Film, dass jeder Mensch Gott werden kann, wenn er nur genügend blaues Pulver im Blut hat. Zudem ist die Droge von Menschen hergestellt, d. h. der Mensch macht sich selbst zum Gott. Warum sollte er das machen wollen? Handelt dieser Actionfilm vielleicht vom Traum des Menschen unsterblich sein zu wollen?

Norman (Morgan Freeman) und Lucy (Scarlett Johansson) - © Universal Pictures
Norman (Morgan Freeman) und Lucy (Scarlett Johansson) – © Universal Pictures
Wilder Ritt

Auch wenn Scarlett Johannson wohl optisch wie alterstechnisch  kaum als Studentin durchgeht, macht sie ihre Sache gut. Sie ist einfach eine starke Actionheldin mit der man mitleidet. Zugegeben, man würde wohl mit jedem Charakter mitleiden, dem man ein Päckchen Drogen in den Bauch genäht hat. Der Film bedient sich einer assoziativen Montagetechnik. Naturaufnahmen der Jagd eines Jaguars auf eine Gazelle, die er anschließend erlegt, werden mit Lucys Gefangennahme gegengeschnitten. Schade ist, dass diese → Assoziationsmontagen nicht konsequent durch den gesamten Film führen. Da hat sich Luc Besson doch zu sehr von den Konventionen des Actionkinos einnehmen lassen. Und diese Konventionen sorgen auch wieder für zahlreiche Logiklöcher: Waffen tauchen aus dem Nichts auf und die Bösen lassen sich mal wieder alle Zeit der Welt, bis sie endlich mal den Abzug drücken.

Witz am Rande: Luc Besson wurde zum Filmstart immer wieder zur Möglichkeit einer Fortsetzung befragt, die er aber kategorisch ablehnte, da es sich bei LUCY um eine abgeschlossene Geschichte handle und er nicht wisse, wie eine mögliche Fortsetzung aussehen könne. Im Juni 2015 wurde bekannt gegeben, dass eine Fortsetzung in Planung ist.

(4.5/6)

Trailer: © Universal Pictures Germany

5 thoughts on “Lucy (OmU, 2014)

  1. Hm, vielleicht ist es der philosophische Ansatz des Filmes, der mich dazu brachte ihn gut zu finden, Der Moment, wo sie in Zeit und Raum sich auflöst und ihr bewusst wird, dass wir ohne Zeit und der damit verbunden Endlichkeit nicht menschlich sind, war doch sehr spannend.
    Habe ihn in der Tat sehr viel philosophischer gesehen.

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