Selbstironie ist sicherlich nicht der erste Begriff, den man mit dem ZDF und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Allgemeinen verbindet. Zum 50. Geburtstag hat sich das ZDF eine Mini-Serie geschenkt – so heißt es in der einschlägigen Presse. Die Formulierung ist aber etwas ungünstig gewählt, denn sie war nicht „von oben“ bestellt, sondern entstand auf Intitiative der Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“ (→ Interview mit Eva Löbau und Sascha Hehn). Und trotz wenig Geld und wenig Drehzeit (fünf Tage pro Folge) erweist sich LERCHENBERG als Perle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die man wahrscheinlich deshalb so gut im Nachtprogramm versteckt hat, weil man nicht möchte, dass andere Sendungen vor Neid erblassen. Auf dem Lerchenberg in Mainz hat seit jeher das ZDF seinen Hauptsitz. Dort arbeitet die Redakteurin Sybille „Billie“ Zarg (Eva Löbau) zusammen mit ihrer Volontärin Judith Kleine (Cornelia Gröschel). Billies 18-monatige Arbeit an einem Fernsehfilm zahlt sich endlich aus, es soll gedreht werden. Alles könnte so schön sein, aber die Redaktionsleiterin Dr. Elisabeth Wolter (Karin Giegerich) möchte unbedingt den Altstar Sascha Hehn (Sascha Hehn) in der Produktion sehen. Doch Sascha erweist sich als unkollegial und anstrengend und es kommt zu einem Verwürfnis zwischen den beiden. Daraufhin überträgt Wolter die Verantwortung für Billies Filmprojekt an Judith und trägt Billie auf, ein geeignetes Format für Sascha zu finden. Doch das erweist sich schwieriger als gedacht.
Ein Job für „den Sascha“
Als der Produzent und der Regisseur bei Sascha Hehn auf der Couch saßen um ihm die Rolle anzubieten, war dieser erst einmal gar nicht begeistert. Die anfängliche Abneigung ist einfach zu erklären: dieser Sascha Hehn, den er da spielen sollte, ist ein Kotzbrocken. Warum er seine Meinung dann doch geändert hat, darüber ist nichts überliefert. Vielleicht lag’s am spritzig-frechen Drehbuch, vielleicht lockte die Möglichkeit in verschiedene Formate hineinzuschnuppern oder (eine völlig überzogene Version von) sich selbst zu spielen. Und die hat es in sich. Sein filmisches Alter Ego verhält sich divenhaft wie zynisch, redet von sich selbst in der dritten Person und denkt, die ganze Welt hätte auf ihn gewartet. Kritik perlt an ihm ab, wenn man ihn auf seine politisch inkorrekten Ansichtungen („Autismus ist doch geradezu der 100%ige Weg zum deutschen Fernsehpreis.“) anspricht. Doch damit ist er nicht allein. Auch Wayne Carpendale, der hier in der zweiten Folge eine völlig arrogante Rolle als „neues Sendergesicht“ spielt, ist gehässig und völlig von sich selbst überzeugt. Doch Hehn schafft es im Gegensatz zu Carpendale die Rolle so zu verkörpern, dass man sie ihm auch abnimmt. Carpendale kann man einfach nicht glauben, dass er kein Teamplayer und kein netter Kerl ist. Eva Löbau ist dagegen ein großer Gewinn. Ihre Billie ist idealistisch und versucht zwischen allen Positionen zu vermitteln. Die Verzweiflung wirkt glaubwürdig und man kann einfach nicht anders, als mit ihr mitzuleiden.
In der Tradition von 30 ROCK oder THE OFFICE werden hier Menschen in ihrem Arbeitsumfeld portraitiert, auch wenn LERCHENBERG eher Spielfilm als Pseudo-Doku ist. In jeder Satire steckt ja stets auch ein Fünkchen Wahrheit und so bekommt der Zuschauer zumindest einen kleinen Einblick in die intransparenten Vorgänge des Senders. Und bei manchen Details möchte man einfach, dass sie wahr sind, wie z.B. die „Giftliste“, eine Liste mit Personen, mit denen das ZDF nicht mehr zusammenarbeiten möchte. Nachdem die komplette Staffel nur aus vier Folgen à 23 Minuten besteht, lässt sie sich gut in einem Rutsch hintereinander wegschauen. Eine Charakterentwicklung ist zu sehen. Hier und da ist es etwas zu klamaukig, wenn etwa Sascha für eine Homestory über ihn extra eine Wohnung samt sexy Frau und afrikanisches Waisenkind gebucht hat. Für Lacher sorgt es zwar allemal, aber da ist sicherlich noch Luft nach oben. Im Laufe des Jahres soll eine zweite Staffel kommen. Die soll noch böser werden. Der Grundstein ist schonmal gelegt. Hoffentlich läuft diese nicht wieder versteckt in der Digitalsparte spät nachts. Denn was haben wir aus LERCHENBERG gelernt? „Wann laufen diese Nachwuchsdinger denn? Irgendwann gegen Mitternacht, dann, wenn keiner guckt. Und wenn keiner guckt, ist es auch kein Fernsehen.“
Sympathischer Cast mit viel Selbstironie (4.5/6)
Titelbild: © ZDF/Jan Rasmus Voss, Trailer: © ZDF
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