Der Tod von Stanley Kubrick im März 1999 löste nicht nur beim Cast seines letzten Films EYES WIDE SHUT eine Welle der Bestürzung aus. Häufig wurde behauptet es handle sich um „Kubricks unvollendetes Meisterwerk“, was allerdings nicht stimmt, da Kubrick den kompletten Film vier Tage vor seinem Tod bei Warner Bros. präsentierte. Basierend auf der „Traumnovelle“ des Schweizer Autoren Arthur Schnitzler verlagert er dessen Geschichte von Wien nach New York. Dort leben der erfolgreiche Arzt Bill Harford (Tom Cruise) und seine Frau Alice (Nicole Kidman). Nach außen sind die beiden ein Traumpaar, aber eigentlich sind sie mit ihrer Beziehung unzufrieden. Beide werden auf die Party des Reichen Victor Ziegler (Sydney Pollack) eingeladen, wo sich Alice betrunken in die Armen des charmanten Sandor Szavost (Sky du Mont) flüchtet, der ihr permanent Komplimente macht und ganz offensichtlich auf Sex aus ist. Zeitgleich wird Bill ebenfalls von zwei Damen umgarnt, allerdings geben weder Bill noch Alice der Versuchung nach. Durch Zufall trifft Bill einen alten Bekannten, Nick Nightingale (Todd Field). Der erzählt ihm von einem geheimnisvollen Ort, an dem viele attraktive Frauen seien und alle Menschen dort in Masken trügen. Bill wird neugierig und überredet seinen Freund ihm das Losungswort zu geben um sich selbst in die Veranstaltung einzuschleusen. Was er dort zu sehen bekommt, hatte er sich selbst nicht in seinen kühnsten Träumen ausmalen können.
Eifersucht für Fortgeschrittene
Tom Cruise und Nicole Kidman waren damals verheiratet und hatten beide Open-End-Verträge. Die waren auch nötig. Kubrick, der bekannt für seinen Perfektionismus und eine hohe Anzahl von gedrehten Takes ist, sorgte schließlich mit über 400 Drehtagen für einen Guiness World Record für den längsten Filmdreh. Die Erzählweise ist sehr ruhig, manchmal auch zu ruhig (dies kann man aber ebenfalls der Buchvorlage vorwerfen). So sieht man Bill immer wieder ziellos durch die New Yorker Straßen laufen. Die Szenen, in denen entweder Alice oder Bill in Versuchung geführt werden, sind immer in einem besonderen, teilweise fantastischen (Ball), aber auch absurden (Maskenladen, Sexorgie) Setting, passieren. Tom Cruise und Nicole Kidman schaffen es häufig nicht, ihre Figuren auszuspielen. Man erkennt immer gute Ansätze, so verkörpert Cruise glaubhaft den besorgten Arzt und Kidman die genervten Hausfrau. Wenn es allerdings um das Essenzielle geht – und das ist in diesem Film meistens mit Alkohol, Sex oder Drogen verbunden – dann kann man die beiden nicht wirklich ernst nehmen. Sobald Alice unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht, wirkt sie unglaubwürdig und man mag ihr nicht so recht glauben, dass sie in diesem Zustand mit ihrem Mann über die Unterschiede zwischen Mann und Frau diskutiert. Lediglich Sydney Pollack als Privatpatient und väterlicher Freund von Bill sorgt für tolle Momente, da er es schafft glaubhaft seine Rolle zu spielen und gleichzeitig Misstrauen bei Bill und auch dem Zuschauer über seine Aussagen zuzulassen.
Klammert man die schauspielerische Leistungen mal aus, dann bleiben die grundsätzlichen Fragen, mit denen sich auch schon Schnitzlers „Traumnovelle“ auseinandersetzt, trotzdem unglaublich interessant. Themen wie der Unterschied zwischen Mann und Frau, Scham, die Schuldfrage und Eifersucht sowie die bewusste Verletzung des Partners ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film.
Inhaltlich top mit schauspielerischen Schwächen (4.5/6)
© Warner Bros.
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