Stell dir vor ein lebensgroßes, grimmiges Puppenmonster wandert durch die düsteren Straßen von New York der 1980er Jahre. Zusammen mit einem Puppenspieler macht es sich auf die Suche nach einem kleinen Jungen. Klingt nach einer verrückten Geschichte? Ja, das ist sie auch. Die Mini-Serie ERIC, inszeniert von Lucy Forbes nach einer Geschichte von Abi Morgan, ist ein ambitioniertes Projekt, das verschiedene gesellschaftliche Themen der 1980er Jahre aufgreift. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Vincent (Benedict Cumberbatch), ein alkoholkranker Puppenspieler, dessen Sohn Edgar (Ivan Howe) eines Tages verschwindet. Während Vincent und seine Frau Cassie (Gaby Hoffmann) mit dem Verlust kämpfen, taucht die überlebensgroße Puppe Eric in Vincents Leben auf. Die Serie verwebt die Suche nach Edgar mit Themen wie der AIDS-Krise, psychischen Erkrankungen und gesellschaftlicher Diskriminierung.
Unsympathische Figuren
Der Einstieg in die Serie war für mich wirklich schwer. Die Hauptfiguren sind durchweg unsympathisch gezeichnet, was es schwer macht, eine emotionale Bindung zu diesen Charakteren aufzubauen. Vincent, der sich für ein verkanntes Genie hält und alle anderen für Dummköpfe, und Cassie, die ihre Unzufriedenheit mit Vincent in einer Affäre auslebt, bieten wenig Identifikationspotenzial. Selbst der junge Edgar, dessen Verschwinden den Plot vorantreiben soll, bleibt seltsam blass und unmotiviert. Die titelgebende Figur Eric taucht völlig willkürlich auf. Eric ist keine Metapher oder eine Manifestation von Vincents Alkoholsucht, wie ich anfangs dachte. Im Verlauf der sechs Folgen erkennt man recht deutlich, dass sein Auftauchen eher den dramaturgischen Bedürfnissen der Autorin folgt als einer Logik innerhalb der Geschichte.
Thematische Überladung und zäher Erzählfluss
ERIC leidet unter einer enormen Fülle seiner Themen, die er beiläufig noch behandeln möchte. Die sind alle wichtig und eigentlich auch interessant, verwässern aber in ihrer Gesamtheit den Fokus der Erzählung. Von der AIDS-Epidemie in den 80ern über Gentrifizierung in Großstädten bis hin zu institutionellem Rassismus wird ein weites Spektrum gesellschaftlicher Probleme angerissen, ohne dass diese Aspekte befriedigend vertieft werden. Der Erzählfluss stockt dadurch immer wieder, was die Spannung merklich beeinträchtigt. Es ist besonders ärgerlich, dass ich nach den sechs Episoden das Gefühl hatte, dass man die Geschichte auch innerhalb von 90 Minuten in einem Film hätte erzählen können. So habe ich aber über 300 Minuten mit einer Serie verbracht, die am Ende aber nicht auf den Punkt kommt. Die Hoffnung auf eine befriedigende Auflösung hielt mich zwar für einige Zeit bei der Stange, doch hätte man die Geschichte doch auch stark kürzen können ohne die eigentliche Geschichte groß zu verändern.
Schauspielerisch gar nicht mal schlecht
Trotz der narrativen Schwächen kann man noch nicht einmal behaupten, dass der Cast schlecht spielt. Es gibt durchaus auch einzelne Szenen, die nachhaltig beeindrucken. Benedict Cumberbatchs Darstellung in Vincents emotionalen Momenten, wie etwa seiner Präsentation der Eric-Figur vor seinen Stakeholdern oder einem tränenreichen Geständnis gegenüber Kommissar Ledroit (McKinley Belcher III), zeigen das schauspielerische Potenzial, das eigentlich in der Serie steckt. Allerdings kämpfen die Darsteller oft gegen das schwache Storytelling an und versuchen, ihren Figuren Leben einzuhauchen, auch wenn die Motive ihrer Figuren völlig inkonsistent und unlogisch sind. ERIC ist eine Serie, die mehr verspricht, als sie halten kann. Trotz eines vielversprechenden Casts und der gut umgesetzten trau-tristen Atmosphäre von New York scheitert sie an ihrer unausgegorenen Struktur.
ERIC ist eine Mini-Serie, die exklusiv über den Streamingdienst Netflix abrufbar ist.
4.5/10