An DIE RÄUBER habe ich nur noch verschwommene Erinnerungen. Irgendwann habe ich eine Inszenierung am Nationaltheater Weimar gesehen, aber das ist über sieben Jahre her und besonders im Gedächtnis geblieben ist die Inszenierung von damals auch nicht. Es wurde also Zeit für einen zweiten Anlauf. Leider schaffte es auch das Thalia Theater in Hamburg nicht, mich von Schillers Drama über zwei ungleiche Geschwister zu überzeugen. Karl Moor (Lisa Hagmeister), geliebter Sohn des Grafen von Moor (Victoria Trautmannsdorf), hat sich in der Ferne hoch verschuldet. Nun sendet er seinem Vater einen Brief und bittet um Vergebung. Der Brief fällt aber seinem Bruder Franz (Merlin Sandmeyer) in die Hände. Franz, der um die Gunst des Vaters buhlt, überzeugt diesen an seiner Stelle die Antwort an Karl zu verfassen. Franz schlägt das Gesuch aus. Karl, der nicht damit gerechnet hat, schließt sich kurz darauf der Räuberbande um den Banditen Spiegelberg (Cathérine Seifert) an.
Die Räuberinnen
Das Besondere an der Inszenierung von Michael Thalheimer ist, dass seine Räuber in erster Linie von Frauen gespielt werden. Einzig Merlin Sandmeyer als Franz darf auch hier die Männerrolle übernehmen. Ich finde es grundsätzlich großartig, wenn Frauen auch Männerrollen spielen dürfen und umgekehrt. Allerdings muss ich Till Briegleb von der Süddeutschen zustimmen, wenn er → in seiner Kritik fragt: „Ist der Welt etwas gewonnen, wenn die Frauen sich endlich genauso schlecht benehmen wie die Männer? (…) Wäre den Frauen geholfen, wenn sie abends wie die Männer blutüberströmt ins Lager zurückkehren könnten, um von meuchlerischen Taten zu prahlen, ansonsten im Leben aber nur die Freiheit hätten, zwischen Nibelungentreue und Führermord zu wählen?“ Um die Emanzipation der Frauen zu feiern, ist DIE RÄUBER definitiv das falsche Stück.
Einfache Bilder
Michael Thalheimer bedient sich einfacher Bilder. Die Bühne bleibt spartanisch. Lediglich bühnenhohe Stehlen auf der Drehbühne symbolisieren den Wald. Amalia (Lisa-Maria Sommerfeld) ist in ein Puppenkleidchen gehüllt. Dazwischen werden Papiere effektvoll in die Luft geworfen. Die Haut der mordenden Räuberinnen ist mit knallrotem Filmblut überzogen. Einen neuen Dreh findet Thalheimer dabei aber nicht. Viel zu sehr verlässt man sich auf Schillers Vorlage, die hier kaum abgewandelt oder modernisiert wird, und die „Frauen, die Männerrollen spielen“-Prämisse als alleinigen Kniff. Die Ironie ist, dass ich tatsächlich Merlin Sandmeyer als Einzigen wirklich richtig gut fand. Der Hass auf seinen erfolgreichen Bruder ist wirklich in jeder Szene spürbar. Die Frauen wirkten – mit Ausnahme von Amalia und Karl – häufig austauschbar und ausdruckslos. Die Uraufführung des Stücks löste 1782 einen handfesten Skandal aus. 239 Jahre später gelingt dies nicht nochmal.
Gesehen am 04.11.2021 im Thalia Theater in Hamburg
6/10