Der 13. Juli 2014, der Tag des Finales der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, ist gefühlt schon eine halbe Ewigkeit her. Wir erinnern uns an das Public-Viewing, den kollektiven Freudentaumel, in dem sich ein ganzes Land für ein, zwei Tage befand. DIE MANNSCHAFT soll das Gefühl der Weltmeisterschaft und den Weg zum vierten Weltmeistertitel wieder aufleben lassen und rekonstruieren, welche Komponenten den Sieg ausgemacht haben. Man fährt mit der Mannschaft im Mannschaftsbus zu den Spielen, steht mit ihnen auf der Fähre und lauscht einem nächtlichen Gesangsbeitrag eines Spielers („When you say nothing at all“ von Ronan Keating).
…die Nummer 1 der Welt sind wir!
DIE MANNSCHAFT ist nicht nur vom Namen her ein „FIFA Film“, sondern es auch inhaltlich. Die Massenunruhen an den Austragungsorten werden genausowenig behandelt wie den Einfluss der FIFA auf brasilianische Gesetze (hier eine → tolle Zusammenfassung der Ereignisse von John Oliver). Auch die nicht ganz unwichtige Tatsache, das der Trainingsplatz der Nationalmannschaft → mitten im Naturschutzgebiet gebaut wurde, wird ignoriert. Stattdessen mehrfache Beteuerungen wie ruhig es im Campo Bahia war und wie wichtig diese Ruhe für die Spieler war. Ansonsten ist alles prima, die Stimmung ist toll. Hier und da mal ein Hieb auf die böse Presse, die mit ihrer Berichterstattung die Leistung der Deutschen schlechter macht als sie eigentlich ist. Der Gipfel der ganzen FIFA-Lobhudelei ist dann noch Bastian Schweinsteiger, der ausdrücklich FIFA-Chef Sepp Blatter für Spiele unter der Sonne Brasiliens dankt. Passend dazu werden die Logos der zahlreichen Sponsoren in die Kamera gehalten. Permanent wird betont, wie toll doch die Stimmung und der Zusammenhalt in der Truppe war, allerdings kann der Film das nicht vermitteln. Der Film geht nicht nah genug ran. Die Interviews mit den Spielern sind rar und häufig auch nur zu einzelnen Themenkomplexen.
Die Kameraarbeit der drei Regisseure ist unglaublich schluderig und langweilig, um nicht zu sagen einfallslos. Manchmal wurde einfach eine Kamera in ein Zimmer gestellt und hinterher das komplette Geschehen wahlweise in Slow-Motion oder im Zeitraffer abgespielt. Übergänge werden meistens durch Schwarzblenden eingeleitet. Obwohl der Film weitesgehend chronologisch vorgeht, ist dem eigenen Empfingen nach kein roter Faden erkennbar. Anekdoten wie die verlorene Golfwette, die zur Folge hatte, das Thomas Müller ein Dirndl tragen musste, werden in zwei Sätzen abgehandelt. Es folgen schöne Bilder von schönen Männern, die bei schönem Wetter schönen Fußball spielen. Dazwischen Landschaftsaufnahmen vom Campo Bahia und glücklichen Brasilianern. Zumindest bis zum Spiel gegen Brasilien, da werden die geschockten Gesichter in Slow-Motion gezeigt, damit man deren Schmerz auch richtig super sieht. Die Spielausschnitte waren die Gleichen, die man auch schon im Fernsehen sah. Hier hat man es sich besonders leicht gemacht. Erst in der letzten halben Stunde, wenn es um das Finale und die Ankunft auf der Fanmeile in Berlin geht, bekommt man tatsächlich einen Einblick in den Zusammenhalt der Mannschaft. Es erklingen Fangesänge und Helene Fischers „Atemlos“ im Mannschaftsbus. DIE MANNSCHAFT ist eine Dokumentation, die der Bedeutung des Gezeigten nicht eine Sekunde gerecht wird. Wir sind Weltmeister, das ist toll. Dieser Film ist es nicht, nicht mal annähernd. Wer Gänsehaut will, sollte sich DEUTSCHLAND. EIN SOMMERMÄRCHEN anschauen.
Verspricht mehr als er ist (1.5/6)
© Constantin Film
Nichts anderes konnte man aber eigentlich erwarten, denn die Mitschnitte wurden ja nicht von vornherein im Bewusstsein einer zu schaffenden Doku gedreht, sondern sind tatsächlich größtenteils zufällig entstanden oder halt der offiziellen Berichterstattung entnommen. Sönke Wortmanns Film über die WM 2006 demgegenüber war im Ansatz bereits als eben das deklariert, ein Märchen, mit allen dafür nötigen Komponenten (nur leider ohne Happy End). „Die Mannschaft“ ist so emotionslos, sie könnte tatsächlich als Dauerwerbesendung für die FIFA durchgehen. Das ist schade. Da müssen wir uns wohl an unseren eigenen, emotionaleren, Erinnerungen zur WM 2014 festhalten. Manchmal ist dies eh die bessere Idee… 🙂
Eine wirklich schlechte Dokumentation, dann lieber einfach nochmal das Finale angucken.
Schön, das wir uns alle so einig sind. 🙂