Es gibt Filme, die aufrütteln. Nicht, weil die Bilder so schockierend wären, sondern weil sie einem vor Augen führen wie gut man es doch eigentlich hat. Die FirstWorldProblems sind inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Dinge, die man für selbstverständlich hält. Dinge, wie z.B. die Tatsache, dass Frauen ein Wahlrecht haben. Nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch auf gesellschaftlicher. Doch nicht alle Frauen haben dieses Wahlrecht.
Das Biopic WÜSTENBLUME von Sherry Hormann erzählt von einer Frau, der das Recht auf Selbstbestimmung schon in jungen Jahren genommen wurde. Die Geschichte von Waris Dirie (Soraya Omar-Scego) beginnt in Afrika. Als sie mit 14 Jahren zwangsverheiratet werden soll, beschließt sie, ihre Familie zu verlassen. Sie irrt durch die Wüste und schafft es mit viel Glück bis nach Mogadischu, wo sie ihre Großmutter aufnimmt. Die Verwandtschaft vermittelt ihr eine Stelle in London in der somalischen Botschaft. Dort arbeitet sie als Dienstmädchen. Als die Botschaft geräumt wird, bleibt Waris (Liya Kebede) sich selbst überlassen und lebt auf der Straße. Sie trifft die Verkäuferin Marilyn (Sally Hawkins) und kommt bei ihr unter. Durch sie lernt sie Englisch und jobbt als Reinigungskraft. In dem Burgerladen, in dem sie arbeitet, entdeckt sie Starfotograf Terence Donaldson (Timothy Spall). Waris wird ein gefragtes Model. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs erzählt sie in einem Interview von ihrer Kindheit und macht die grausame Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung öffentlich, deren Opfer sie selbst als Mädchen wurde.
Der Culture-Clash, der keiner sein sollte
WÜSTENBLUME wird leider der Lebensgeschichte seiner Protagonistin nicht wirklich gerecht. Der Film versucht zwei Pole zu vereinen: zum einen Waris‘ Kindheit und ihre Beschneidung sowie ihr „zweites Leben“ in London als Model.
Sherry Hormann macht daraus einen Culture Clash. Und das ist in mehrerlei Hinsicht problematisch. Zum einen macht sie aus Waris‘ Biografie eine Art Aschenputtel-Geschichte. Ein vom Leben gestraftes Mädchen überwindet alle Hindernisse und wird am Ende dafür belohnt. Das untergräbt das eigentliche Thema (Genitalverstümmelung). Bis auf zwei Szenen – in der die Genitalverstümmelung drastisch gezeigt wird und dem Moment, in dem Waris erkennt, dass sich nicht alle Frauen der unmenschlichen Prozedur unterziehen müssen – fokussiert sich der Film hauptsächlich auf die „aus der Wüste auf den Laufsteg“-Handlung.
Zwangsbeschneidung, aber bitte unterhaltsam
Zum anderen ist der Film an vielen Stellen sehr auf Unterhaltung getrimmt. Ein starker Fokus wird auf die Entdeckung als Model gelegt. Und so trainiert die Ex-Nomadin im Gang auf Stöckelschuhen zu laufen. Die offensichtlich fürs Ballett unbegabte Marilyn geht zum Vortanzen und wird natürlich nicht genommen. Es sind diese Momente, die offenbar dafür sorgen sollen, dass man die Figuren sympathisch finden soll. Und man findet sie auch sympathisch – auch ohne das ganze Pseudo-Drama drumherum. Viele Handlungstränge verlaufen ins Leere.
Zu ihrem Bruder sagt Waris im Kindesalter, dass sie immer zusammenbleiben werden. Ein paar Momente später verlässt Waris ihre Familie und man hört nie wieder etwas von ihrem Bruder. Ich habe das gleichnamige Buch von Waris Dirie noch nicht gelesen, aber nachdem was die Buchkenner posten, ist das Leben der echten Waris nicht annähernd so positiv verlaufen, wie der Film es vermuten lässt. Das habe ich aber in meine Bewertung nicht einfließen lassen, zumindest nicht so sehr. Man spürt, dass die Macher es richtig machen wollten, sich auf dem Weg dorthin aber verzettelt haben. Ich weiß, dass meine Bewertung in Zahlen sehr viel besser ausgefallen ist, als das, was ich in Worten über diesen Film geschrieben habe. Das liegt wohl daran, dass ich das eigentliche Thema des Films für zu wichtig finde um es einfach unter den Teppich zu kehren.
4/6 bzw. 7/10
Trailer: © Majestic Filmverleih