Patricia Highsmiths Romane scheinen sich wohl besonders gut für Filme zu eignen. DER TALENTIERTE MR. RIPLEY, DIE ZWEI GESICHTER DES JANUARS und DER FREMDE IM ZUG sind nur einige Beispiele für verfilmte Highsmith-Romane. Jüngste Verfilmung ist CAROL, die im New York der frühen 50er Jahre spielt. Die junge Therese Belivet (Rooney Mara) liebt die Fotografie, doch ihr fehlt der Mut tatsächlich ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als Verkäuferin in einem edlen Kaufhaus in Manhattan. Dort trifft sie während ihrer Arbeit die elegante Carol Aird (Cate Blanchett). Carol ist auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für ihre Tochter Rindy. Therese empfiehlt ihr eine Eisenbahn. Carol willigt ein und hinterlässt ihre Lieferadresse. Später fällt Therese auf, dass Carol ihre Handschuhe hat liegen lassen. Dank der Lieferadresse kann Therese die Handschuhe per Post an die Eigentümerin verschicken. Carol bedankt sich daraufhin mit einem Mittagessen bei ihr. Beide Frauen stehen an einem Wendepunkt. Während Thereses Freund Richard (Jake Lacy) am liebsten heiraten und eine Europareise machen möchte, steht Carol kurz vor ihrer Scheidung von ihrem Noch-Ehemann Harge (Kyle Chandler). Beide Frauen verstehen sich prächtig und Carol lädt Therese zu sich nachhause ein. Als Harge angetrunken nach Hause kommt, um seine Tochter über die Feiertage mitzunehmen, ist er wenig begeistert von der fremden Frau im Wohnzimmer, die dort Klavier spielt und Fotos macht. Einige Tage später erfährt Carol von ihrem Anwalt, dass Harge eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Er wirft ihr sittenwidriges Verhalten vor, so dass ihr bis zur Anhörung jeder Kontakt mit Rindy verwehrt bleibt. Verzweifelt beschließt sie, für eine Weile die Stadt zu verlassen und mit Therese auf Reisen zu gehen. Therese zögert keinen Moment, sie dabei zu begleiten. Gemeinsam brechen die beiden Frauen in Richtung Chicago auf. Je weiter sie fahren, desto näher kommen sich die beiden ungleichen Frauen.
Die Verkäuferin und die Diva
Die ersten 15 Minuten verlaufen etwas schleppend und hätten ruhig herausgeschnitten werden können. Es dauert eine Weile bis die Geschichte in Gang kommt. Immer wieder wird aus fahrenden Autos herausgefilmt und mit der Unschärfe gespielt, was zuweilen etwas auf die Nerven geht. Erst als sich Therese und Carol kennenlernen und sich eine Freundschaft zwischen den Frauen entwickelt, wird es spannender. Auch das im Film repräsentierte Frauenbild ist interessant. Die Männer sind meistens hysterisch, aggressiv und emotional, während die Frauen allesamt sehr abgeklärt agieren und sich pragmatisch der jeweiligen Lebenssituation anpassen. Spannend wie hier mit Rollenbildern gespielt wird. Dennoch hätte man hier mehr in die Tiefe gehen können. Am Rande wird mal erwähnt, dass der Ehemann eventuell das Haushaltsgeld seiner Angetrauten kürzen könnte, aber zu den gesellschaftlichen Konventionen der 50er Jahre schweigt der Film weitestgehend oder nimmt sie einfach als gegeben hin. Sandy Powell, dreifache Oscargewinnerin für Kostümdesign, zeigt auch hier wieder ihr Können. Die Kostüme von Therese und Carol passen nicht nur gut zur Zeit, sondern charakterisieren auch die jeweilige gesellschaftliche Stellung der beiden Protagonistinnen. Schlichte Wollmütze trifft auf extravaganten Pelzmantel.
Cate Blanchett und Rooney Mara werden nicht umsonst so gehypt. Bereits im Mai 2015 wurde Mara als beste Darstellerin beim Filmfestival in Cannes ausgezeichnet. Völlig zu Recht. Ihre sehr reduzierte Spielweise, ihr schon fast schüchternes Portrait von Therese, muss sich hinter dem extrovertierten Spiel von Cate Blanchett, die hier auch als Executive Producer mitwirkte, nicht verstecken. Aber auch Blanchett steht ihr in nichts nach. Sie hat einfach diese divenhafte, zeitlose Ausstrahlung, die man auch schon in AVIATOR oder in diversen Peter-Jackson-Filmen sehen konnte. Die gute Chemie zwischen den Beiden ist zu spüren. Mal sehen, wie viel Oscars der Film abräumen wird. So schlecht sieht es nicht aus. Fünf Golden-Globes-Nominierungen gab es schon.
Klassisches Drama mit kleinen Makeln (5/6)
Trailer: © DCM
Mir fehlt es hier komplett an der Aussage, was für einen wunderschönen Film Todd Haynes gedreht hat.
Die ersten 15 Minuten rausschneiden und Unschärfe nervt?
Wie die Kamera auf eine fast voyeuristische Weise einen Blick auf eine Liebesbeziehung wirft, die in der Gesellschaft nicht akzeptiert war. Die vielen Einstellungen durch Fensterscheiben. Dazu Carter Burwells exzellenter Score.
Alle männlichen Figuren in Carol sind Nebenfiguren und sie alle reagieren nur mit blanken Unverständnis auf die Idee der gleichgeschlechtlichen Liebe. Das zentrale Thema ist die Liebesbeziehung zwischen Carol und Therese, nicht eine generelle Gesellschaftskritik. Oder was stellst du dir anhand dieses Films unter „mehr Tiefe“ vor?
Abgesehen davon ist die Hälfte des Textes eine Nacherzählung der Geschichte.
Im Zweifel immer Kinomensch. 😉 https://kinomensch.wordpress.com/2015/12/15/rezension-carol/
Todd Haynes, Carter Burwell und Rooney Mara dürfen gerne alle Preise abräumen, die demnächst verteilt werden.
Du hast mir neulich schon vorgeworfen, ich würde so viel nacherzählen. Im Falle von BRIDGE OF SPIES mag das ja vielleicht noch gestimmt haben, aber im Fall von CAROL habe ich mich wirklich nur auf das Nötigste beschränkt. Irgendwie muss ich ja schließlich den Inhalt zusammenfassen.
Natürlich ist CAROL keine generelle Gesellschaftskritik, aber ich hätte mir hier und da noch etwas mehr Informationen zu den gesellschaftlichen Gepflogenheiten gewünscht und sei es nur durch eine kurze Texttafel zu Beginn. Oder vielleicht ein paar Ansatzpunkte in das Drehbuch eingebaut.
Vorwurf hört sich so negativ an. Ich hätte mir gerne etwas mehr Text/Kritik/Analyse zum Film gewünscht, damit die Proportionen stimmen.
An dieser Stelle möchte ich an meinen Artikel zum SHERLOCK Special hinweisen, an dem ich die halbe Nacht gesessen bin und der heute abend online gehen wird. Da gibt’s so viel Analyse und Kritik wie schon lange nicht mehr. Mit anderen Worten: Es ist ein Roman.