William Shakespeares tragische Liebesgeschichte sowie deren Protagonisten Romeo und Julia sind inzwischen das Sinnbild für eine große Liebe geworden. Der Stoff wurde schon mehrfach adaptiert; es gibt Hörbücher, Filme und natürlich Theateraufführungen des Stoffes. 1996 entschloss sich Regisseur Baz Luhrmann den Klassiker gründlich zu entstauben und verlegte den Handlungsort von Verona in Italien ins fiktive Verona Beach. Dort bekämpfen sich die beiden mächtigen Familien Capulet und Montague. Keiner will nachgeben. Es gibt Opfer auf beiden Seiten. Inmitten all der Gewalt und Bedrohung treffen sich zufällig auf einer Party der Capulets Romeo (Leonardo DiCaprio), der Sohn der Montagues, und Julia (Claire Danes), die Tochter der Capulets, und verlieben sich Hals über Kopf. Die Liebe muss aber aufgrund der Familienfehde ein Geheimnis bleiben. Sie beschließen sich von Pater Laurence (Pete Postlethwaite) trauen zu lassen. Kurz darauf nimmt die Geschichte eine neue Wendung, weil Romeo aufgrund eines mörderischen Vergehens aus Verona verbannt wird. Julia soll auf Wunsch ihrer Eltern indes den Gouverneurssohn Paris (Paul Rudd) heiraten. Die Liebenden sind verzweifelt und finden schließlich einen tödlichen Ausweg aus ihrer Misere.
Entstaubter Klassiker
Einprägsam ist wie immer bei Baz Luhrmann-Filmen die gewaltige Bildsprache. Das Setdesign ist unglaublich, angefangen bei der rießigen Strandbühne mit Loch in der Rückwand über die quietschbunt überladene Party bei den Capulets bis hin zur opulenten Ausgestaltung der Kirche. Zudem sorgen immer wieder auftauchende Bilder wie z.B. Engel, Kreuze oder Wasser für einen Wiedererkennungswert. Letzteres wird immer als „Liebesverstärker“ benutzt wie z.B. in der schon legendären Aquariumsszene, später fallen die Liebenden in einen Pool. Zusätzlich spielt auch das innerdiegetische Wetter eine wichtige Rolle. Droht Unheil hört man Donnergrollen und der Himmel verfinstert sich. Nach dem Tod von Tybalt (John Leguizamo) steht Romeo plötzlich im Platzregen, als würde der Himmel bzw. der Film den Tod beweinen. Luhrmann übersetzt den klassischen Shakespeare-Stoff in die Neuzeit und lässt beispielsweise den Erzähler als Nachrichtensprecher agieren oder gibt den verwendeten Schusswaffen neue Bezeichnungen wie sword (Schwert) oder dagger (Dolch). Gleichzeitig werden die Dialoge weiterhin in Versen gesprochen, auch wenn gut zwei Drittel des Ursprungstexts herausgenommen worden. Dennoch funktioniert die Geschichte gut und bleibt permanent spannend.
Es mag sicherlich Zuschauer geben, die mit der Kontrastierung aus Ursprungstext und überbordender, actiongeladener Darstellung wenig anfangen können. Besonders zu Filmbeginn, wenn die Figuren stichpunktartig wie bei der Personenzusammenfassung im Reclam-Büchlein aufgezählt werden, kommt es zum ersten irritierenden Moment. Die schnellen Schnitte und der Kampf der Capulets und Montagues um die Zapfsäule erinnern mehr an einen Actionblockbuster als an eine Shakespeare-Verfilmung. Der Zuschauer muss sich deshalb erst einmal auf das Experiment einlassen. Häufig hat man den Eindruck Luhrmann habe den Film für all die gelangweilten Deutsch- oder Englischschüler gemacht, denen Shakespeare zum Hals raushängt und/oder die mit der Sprache nichts anfangen können. Mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes hat er zwei glaubhafte Hauptdarsteller gefunden, welche die Rollen im Verlauf des Films so verkörpern, dass man Shakespeare gar nicht anders genießen will.
Explosive Mischung aus Alt und Neu (4.5/6)
Trailer: © 20th Century Fox
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