Es kommt selten vor, dass ich den englischen Filmtitel besser finde als den deutschen Originaltitel, aber PRECIOUS IVIE finde ich tatsächlich besser als IVIE WIE IVIE. Nichtsdestotrotz sollte man sich von dem Filmtitel nicht abschrecken lassen, denn der Film ist wirklich gut. Es geht um Themen wie Identitätskrisen und Alltagsrassismus von Afrodeutschen. Im Zentrum der Geschichte steht Ivie (Haley Louise Jones), bei der eines Tages ihre Halbschwester Naomi (Lorna Ishema) vor der Tür steht. Ivie wusste bislang nichts von ihrer Halbschwester und erfährt von Naomi, dass vor kurzem der gemeinsame Vater in Afrika gestorben und beerdigt wurde. Es beginnt eine turbulente Zeit, in der sich die beiden Geschwister annähern und Ivie sich mit ihren Wurzeln auseinandersetzt.
Kein Grund zum Haareraufen
Die Besetzung ist wirklich großartig. Haley Louise Jones und Lorna Ishema haben eine ganz tolle Chemie als ungleiches Schwesternpaar. Das Zusammenspiel miteinander, aber auch mit dem Umfeld wirkt fast immer glaubhaft. Einzelne Sätze wirken zwar etwas hölzern, aber der Rest ist wirklich großartig gespielt. Insbesondere Lorna Ishema hat eine Wahnsinnsausstrahlung und wurde wahrscheinlich nicht zuletzt auch deshalb als → „Beste weibliche Nebenrolle“ für eine Lola nominiert. Einzelne Szenen habe ich auch jetzt – Wochen später – immer noch im Kopf. Eine davon ist, als die Titelheldin völlig verzweifelt beim Friseur sitzt und verlangt, dass die krausen Haare komplett abgeschnitten werden. (Das Thema Haare ist noch ein ganz eigenes Problemfeld, wie schon → John Oliver in einem über 20-minütigen Beitrag erklärt hat. )
Unaufgeregte Erzählung
Die Geschichte wird einigermaßen unaufgeregt erzählt, was ich auf der einen Seite ganz großartig finde, weil sich die Beziehungen der Figuren so in aller Ausführlichkeit entwickeln können. Auf der anderen Seite hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle gewünscht, dass der Film schneller auf den Punkt kommt. Ein bißchen knackiger, sprich: kürzer, hätte das schon sein können. Insbesondere im letzten Drittel zieht es sich etwas. Nichtsdestotrotz gelingt Sarah Blaßkiewitz mit ihrem tollen Ensemble eine interessante Geschichte zu erzählen, die auch nach dem Kinobesuch noch zu Diskussionen anregt.
8/10
Der Film kommt am 16.09.2021 in die deutschen Kinos. Ich habe den Film im Rahmen vom Filmfest München schon vorab gesehen.