1984 (2023)

Zwischen all den unnützen Werbeclips auf Instagram hat mich doch tatsächlich auch mal eine interessante Werbung erreicht. Für 1984 – ein Theaterstück mit Peter Kremer im Hoftheater. Und weil ich ja gerne mal Theater austeste, die ich noch nicht kenne, war das ein guter Grund den Münchner Westen zu erkunden. Die Latte lag ehrlich gesagt sehr hoch, denn die Romanvorlage von George Orwell ist bereits vielfach verfilmt und in Theaterstücke gegossen worden. Die Handlung spielt im fiktiven Staat Ozeanien. Die allmächtige Einheitspartei überwacht alles und jeden. Winston Smith (Peter Kremer), ein Mitarbeiter im „Ministerium für Wahrheit“ hat zunehmend Zweifel am System, in dem er sich befindet. Immer mehr lehnt er sich gegen das Regime auf. Er verliebt sich in seine Kollegin Julia (Laura Antonella Rauch), die ebenfalls ihre Probleme mit dem totalitären System hat. Doch die Gedankenpolizei ist ihnen schon auf den Fersen.

Szenenbild aus 1984 mit Peter Kremer © Alvise Predieri
Winston (Peter Kremer) macht zunächst noch gute Miene zum bösen Spiel. – © Alvise Predieri

Nicht in der Lage zu klatschen

1984 erträgt man nur, wenn man mit einer gewissen emotionalen Robustheit ausgestattet ist, denn die Geschichte ist bekanntermaßen keine leichte Kost. Diese Stärke hatte ich an diesem Freitagabend zwar und trotzdem hat mich insbesondere die zweite Hälfte emotional total erwischt, obwohl ich das Ende schon kannte. Und dann war das Stück zu Ende und es war völlig still im Raum. Kein Hüsteln, kein Seufzen – einfach nichts. Ich liebe solche Momente im Theater. Wenn man merkt, dass das Publikum gerade völlig erschlagen ist vom Text, von der Handlung und vom Spiel der Darstellenden. Schlichtweg: wenn man merkt, dass es den anderen 80, 90 Leuten gerade so geht wie dir. Und wenn nicht Peter Kremer irgendwann „Man darf jetzt klatschen.“ in die Stille gesagt hätte, wären die anderen und ich wahrscheinlich noch länger in Schockstarre dort gesessen.

Szenenbild aus 1984 - O'Brien (Marcus Widmann) empfängt Winston (Peter Kremer) und Julia (Laura Antonella Rauch) - © Alvise Predieri
O’Brien (Marcus Widmann) empfängt Winston (Peter Kremer) und Julia (Laura Antonella Rauch) – © Alvise Predieri

Kleine Bühne, große Wirkung

Die Inszenierung von Johannes Pfeifer war ziemlich bewegend. Trotz der nur 27m² großen Bühne wird mit Projektionen auf der Rückwand und Toneinspielungen eine intensive Atmosphäre erzeugt. Die beklemmende Wirkung der Handlung liegt aber insbesondere auch an Peter Kremer, der den Abend mühelos trägt. Die Zweifel und die permanente Unsicherheit, das Bangen zwischen Hoffnung und völliger Verzweiflung, seiner Figur wird in jeder Minute spürbar. Aber auch Marcus Widmann als Gegenspieler O’Brien, der die personifizierte Staatsgewalt – und das ist hier im doppelten Wortsinn gemeint – darstellt, liefert eine beachtliche Leistung. Weniger überzeugend fand ich hingegen Laura Antonella Rauch als Julia. Insbesondere das Zusammenspiel mit Peter Kremer, wirkte auf mich total aufgesetzt. Daher nahm ich den beiden die Liebesbekundungen und -beziehung auch nur bedingt ab.

Szenenbild aus 1984 - Winston (Peter Kremer) wird von der Gedankenpolizei verhaftet und gefoltert. - © Alvise Predieri
Winston (Peter Kremer) wird von der Gedankenpolizei verhaftet und gefoltert. – © Alvise Predieri

Immer noch aktuell

Die richtig guten Theaterabende beschäftigen mich auch noch Tage später. Zum Beispiel, zwei Tage später, als ich auf einer → Demonstration gegen Rechts stand, die kurze Zeit später wegen Überfüllung abgebrochen wurde. In einer Zeit deutschlandweiter Demonstrationen gegen Rechtsextremismus wirkt 1984 erschreckend aktuell. Und angesichts der politischen Weltlagen der letzten Jahre und Jahrzehnte ist nicht abzusehen, dass Orwells Zukunftsdystopie jemals an Aktualität einbüßen wird. Der Roman ist auch heute noch eine Mahnung, die uns zeigt, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben und gegen Faschismus und Totalitarismus zu kämpfen.

9/10

Bewertung: 9 von 10.

Gesehen am 19.01.2024 im Hoftheater München

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