Meine NT-Live-Rubrik war im letzten Jahr ziemlich verwaist. Durch meinen Umzug in die Provinz war es erstmal vorbei mit Theaterübertragungen aus London. Doch damit ist jetzt Schluss. Meinen Wieder-Einstand feierte ich mit ROSENCRANTZ & GUILDENSTERN ARE DEAD und auch wenn der Titel recht traurig klingt, ist das Stück ungemein lustig. Rosencrantz und Guildenstern sind die Jugendfreunde von Hamlet, dem titelgebenden Helden in Shakespeares Drama. Die Geschichte wird dabei aus ihrer Sicht erzählt. Rosenkranz (Daniel Radcliffe) und Güldenstern (Joshua McGuire) sind auf Reisen und beginnen aus Langeweile Münzen zu werfen, wobei das Ergebnis des Glücksspiels immer das gleiche ist: Kopf. Güldenstein beginnt diese Siegesserie zu hinterfragen und auch den Zweck der Reise, an den sich beide zunächst nicht erinnern können. Bald treffen sie auf ein Wandertheater. Der Theaterdirektor (David Haig) bietet den beiden dubiose Dienste gegen Bezahlung an, doch Rosenkranz und Güldenstern gehen nicht auf das Angebot ein. Am Hof des Königs von Dänemark angekommen, sollen sie den deprimierten Hamlet (Luke Mullins)
aufheitern und den Grund für seine Depression finden. Doch beides misslingt. Inzwischen ist auch das Wandertheater am Hof angekommen und Rosenkranz und Güldenstern platzen in die Proben zu einem Stück. Die Schauspieler stellen den Tod von Hamlets Vater dar. Kurz darauf werden Rosenkranz und Güldenstern vom König und der Königin nach ihren Fortschritten befragt. Beide lügen und geben an gut vorangekommen zu sein. Die Proben gehen weiter, werden jedoch von Ophelia (Helena Wilson) und Hamlet unterbrochen, die sich heftig streiten. Daraufhin schickt der König Hamlet und seine Freunde nach England.
Immer diese Vergleiche
Tom Stoppards Stück ist inzwischen mehrfach adaptiert worden, teilweise auch von Stoppard selbst. In einem Spielfilm von 1990 brachte er die Geschichte auf die Leinwand mit Tim Roth als Güldenstern, Gary Oldman als Rosenkranz, Richard Dreyfuss als Spieler und Iain Glen als Hamlet. Mit großen Namen kann diese Produktion nicht glänzen (obwohl die HARRY POTTER-Fans da wahrscheinlich widersprechen würden). Ohnehin machen große Namen noch keinen guten Film und auch kein gutes Stück. Gerade weil das Theaterstück sehr von den schnellen, wortreichen Dialogen lebt, braucht es aber zwei Schauspieler, die sich die Bälle gut hin- und herspielen und die beide schauspielerisch auf dem gleichen Level sind. Daniel Radcliffe ist im direkten Vergleich zu Joshua McGuire leider etwas schwächer. Vielleicht fiel mir das auch nur auf, weil ich bereits eine andere Version des Stücks kenne bzw. einen Ausschnitt daraus. Im Rahmen der 50-Jahre-NT-Live-Feierlichkeiten hatten Benedict Cumberbatch und Kobna Holdbrook-Smith vor drei Jahren bereits einen Auszug aus dem Stück gespielt, was im Übrigen auch der Hauptgrund war, mir das Stück in Gänze anzusehen.
Quelle: Youtube/CBS
Ich will’s mal wohlwollend formulieren: Gegen Benedict Cumberbatch kannst du nur verlieren. Wo Cumberbatch Wörter betont und gestikuliert – was die Sache gleich umso witziger macht -, steht Radcliffe häufig nur da und sagt seinen Text auf. Das mag eine Regieanweisung gewesen sein, aber dadurch wirkt Radcliffes Rosencrantz statischer und etwas ernster. Radcliffe und McGuire haben aber trotzdem eine gute Chemie, was auch im → Vorstellungsvideo für das Old Vic deutlich wird.
Überzogener Hamlet und eine grandiose Nebenrolle
Radcliffe ist nicht der schlechteste Schauspieler im Ensemble, nein, das war Luke Mullins als Hamlet. Hier könnte ich auch den direkten Vergleich zu Cumberbatch ziehen, der vor zwei Jahren bereits den Hamlet gab. Natürlich lassen sich beide Stücke schlecht vergleichen, da ROSENCRANTZ & GUILDENSTERN bei weitem nicht so ernst und dramatisch wie HAMLET ist und somit schon die Prämisse eine andere ist. Aber Mullins spielt Hamlet so derart überzogen und überdreht (er erinnerte mich irgendwie an Gaston aus DIE SCHÖNE UND DAS BIEST mit dieser aufgeblasenen Art), dass ich ihn nicht ernstnehmen konnte. Meine persönliche Entdeckung war allerdings Matthew Durkan als Alfred. Als geigender Schauspieler, der über weite Teile des Stücks in Frauenkleidern herumstolzieren muss und von dem Theaterdirektor für Schandtaten aller Art missbraucht wird, hatte er sofort alle Sympathien des Publikums auf seiner Seite.
Das Stück ist kurzweilig, aber auch sehr komisch. Nicht nur durch das was man im Englischen “physical comedy” nennt, sondern auch durch Doppeldeutigkeiten von Wörtern (of course/off course) oder einer Mischung aus beidem (“on the other hand”). Das Bühnenbild ist eher spartanisch gehalten, ein paar Stühle, ein paar Ballen Stoff, und die Musik kommt sowohl vom Band als auch von den Schauspielern selbst. Ich hatte einen schönen Abend und ich freue mich schon sehr auf OBSESSION mit Jude Law im Mai.
4.5/6 oder 7.5/10
Trailer: © NT Live