Warum die Oscars mehr Pepp vertragen…

Es ist doch jedes Jahr das gleiche Spiel bei den Oscars. Der rote Teppich wird als Catwalk missbraucht, auf dem in Designermode gequetschte Schauspieler versuchen durch ihre pure Anwesenheit Glamour und Eleganz zu verbreiten. Am Rand des Teppichs stehen die Fans und die versammelte Weltpresse, die mehrfach betont, was für ein besonderer Abend es doch sei und wie gut doch alle aussehen würden, auch wenn das in Einzelfällen ganz offensichtlich gelogen ist. Und die → Academy of Motion Picture Arts & Sciences, die das ganze Spektakel alljährlich veranstaltet, kann sich mal wieder im Weltruhm sonnen. So war es die letzten Jahre und so wird es wahrscheinlich auch weiter bleiben. Denn die Academy klammert sich verzweifelt an die „goldenen Zeiten des Kinos“. Und deshalb darf auch nichts schief gehen. Alles ist bis ins kleinste Detail geplant. Und genau das ist das Problem.

Denn die Academy hat eines nicht verstanden: Perfektion ist langweilig. Niemand denkt an die armen Journalisten, die aus dem Abend für ihre Zuhörer, Leser und Zuschauer eine interessante Zusammenfassung bringen müssen. Und niemand denkt an die tapferen paar Millionen Zuschauer, die sich die Sendung live – und je nach Zeitzone auch mitten in der Nacht – freiwillig ansehen. Das Unvorhergesehene macht den Charme eines Abends erst aus, wird aber von der Academy nicht berücksichtigt oder unterbunden. Sie wälzt diese Aufgabe indirekt auf die anwesenden Gäste und den Moderator ab. Wie im letzten Jahr als Moderatorin Ellen DeGeneresfür die ersten paar Reihen Pizza bestellte und ein Selfie schoss. (An dieser Stelle soll nicht ausgeklammert werden, dass es sich dabei um einen → Werbecoup der Firma Samsung gehandelt hat.) Da war wenigstens mal Stimmung in der Bude. Wie war es denn die letzten Jahre? Da ist weder auf dem Teppich noch im Saal irgendwas Nennenswertes passiert.

Und hier kommt wieder die Presse ins Spiel. Wie verkauft man ein inhaltsleeres Event als Wissenswertes? Indem man sich an jeden Strohhalm klammert und aus jedem Schwachsinn eine Nachricht macht wie im Fall von  Angelina Jolies →Beinschlitzkleid (2012) oder der Tatsache, das Jennifer Lawrence auf dem Weg → zum Oscar stürzt (2013). Die Leute interessieren sich doch nicht für die Formel 1, weil sie so gern Menschen in schnellen Autos zuschauen, die im Kreis fahren. Man spekuliert auf den Crash oder zumindest einen Reifenschaden. Und bei den Oscars ist das nicht anders.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Schauspieler aufsprangen und sich wild gefreut haben, wie → Oscar-Gewinner Roberto  Benigni (1999) oder Adrien Brody, der vor lauter Enthusiasmus → Halle Berry abknutscht (2003). Und weil die Academy ihr konservatives amerikanisches Publikum nicht verschrecken wollte, wurde ein → Kuss von Javier Bardem und Josh Brolin (2011) blitzschnell aus der Sendung herausgeschnitten. Aber genau das sind doch die Momente, die eine Oscar-Verleihung einzigartig machen und im Gedächtnis bleiben.

Ich wünsche mir mehr Hugh Jackmans, die → Filme tanzen (2009) oder Benedict Cumberbatchs, die →  Photobombing betreiben (2014). Sich einfach mal so zum Affen machen um uns zu unterhalten. Ich wünsche mir eine von Schauspielern vorgetragene Accappella-Version von „Let me entertain you“ auf dem roten Teppich. Oder einen Tanz-Flashmob. Oder das mal ein Moderator, Presenter oder Preisträger seine Redezeit dazu nutzt um auf die Probleme der Branche (Abwanderung von Talenten zum Fernsehen, Probleme innerhalb der Academy wie die → Zusammensetzung der Jury oder Stichwort → #OscarsSoWhite) aufmerksam zu machen. Ich wünsche mir, dass mal alle Nominierten einer Kategorie zusammen mit dem Gewinner zum Mikrofon laufen und dann in einem improvisierten Wortgefecht erklären, warum sie den Preis mehr verdient haben als er. Und dass dann Steven Spielberg oder Martin Scorsese aufsteht, ein Machtwort spricht und die Nominierten dann wie eingeschüchterte Schuljungen die Bühne wieder verlassen. Oder dass mal jemand seinen Preis an jemanden ausleiht, von dem er denkt, er hätte ihn mehr verdient. An Andy Serkis zum Beispiel für herausragende Leistungen auf dem Feld der → Performance-Capture oder an Leonardo DiCaprio, der seit Jahren vergeblich auf einen Oscar wartet. Oder das mal jemand Wunderkerzen reinschmuggelt, unter den Gästen verteilt und wenn die Ballade gesungen wird, die für Bester Song nominiert ist, angezündet werden (Who cares about Brandschutzbestimmungen? 😉 ). Oder dass während einem Lied im Gang getanzt wird. Meinetwegen auch wieder ein Bardem-Brolin-Kuss. Vielleicht war 2011 noch zu früh. Hauptsache es ist irgendwas, was niemand erwartet und niemandem wehtut, das wünsch‘ ich mir.

Denn wenn man mal ehrlich ist, ist es doch völlig egal wer da gewinnt oder verliert oder wer welchen Designer trägt. Das Volk möchte unterhalten sein und wenn das die Filmbranche noch nicht weiß, dann ist alles aus.

9 thoughts on “Warum die Oscars mehr Pepp vertragen…

  1. Den roten Teppich kann man überspringen, in dem man pünktlich zur Award Show einschaltet. Ich gucke viel lieber die Globes, eine Stunde kürzer und viel unterhaltsamer.
    Die Oscar Preisträger sind ja für Ewigkeit, die Show vergisst man ein paar Jahre später, insofern halte ich die Entscheidungen für wichtig.

    Ansonsten gucke ich Formel 1 Rennen, weil es die höchste Motorsportklasse ist, Perfektion bietet und ich gerne Autos zu gucke, die im Kreis fahren.

    1. Ich mag die Globes auch viel lieber. Das ist auch mehr ein Roast dort: jeder bekommt sein Fett weg und hinterher feiern alle zusammen. Genau das vermisse ich bei Oscars. Diese Unbekümmertheit und Partystimmung.

  2. Sehr schöner Beitrag! Empfinde ich ganz genauso. Deshalb fand ich auch das Photobombing von Benedict Cumberbatch letztes Jahr so toll – alle standen sie da in ihren Anzügen und Kleidern, ganz gesittet und höflich – und dann er, der einfach herumspringt und Grimassen dabei zieht. 😀 Aber natürlich auch die ganzen anderen Dinge – das ist es einfach, was so eine Show ausmachen sollte, das ist es, warum man es so gerne sieht – nicht um vor Langeweile aufgrund der immergleichen unehrlichen, höflichen Sätze einzuschlafen, sondern, wie du es eben gesagt hast, um unterhalten zu werden.
    „Hauptsache es ist irgendwas, was niemand erwartet und niemandem wehtut, das wünsch’ ich mir.“ Ich mir auch.

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