The Revenant (2015)

Der Western erlebt im Moment wieder ein Revival.  DJANGO UNCHAINED, THE HOMESMAN, SLOW WEST  und „der neue Tarantino“ THE HATEFUL EIGHT sind nur ein paar Beispiele hierfür.  Zumal der Western längst nicht mehr nur im wilden Westen der USA des 19. Jahrhunderts spielen muss. Der Neo-Western DAS FINSTERE TAL wurde beispielweise in Südtirol gedreht und spielt auch dort. Vielleicht liegt die aufkommende Popularität an den vielen Superhelden, die aktuell im Kino gegen das Böse kämpfen. Im Western ist das meistens auch so, Gut und Böse sind klar voneinander abgetrennt und  darum bildet der Western wohl für viele Filmemacher, die nicht für die Marvel-Schmiede arbeiten, den kleinsten gemeinsamen Nenner und eine spannende Alternative. Wohl auch für Regisseur Alejandro González Iñárritu, der am Drehbuch von THE REVENANT fleißig mitgeschrieben hat. Die Handlung basiert auf wahren Ereignissen und spielt im Jahre 1823. Während einer Expedition in der amerikanischen Wildnis wird der legendäre Jäger und Abenteurer Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) von einem Bären attackiert und von seinen Jagdbegleitern John Fitzgerald (Tom Hardy) und Jim Bridger (Will Poulter) lebend zurückgelassen, da sie überzeugt sind, dass er nicht mehr genesen wird. Fitzgerald hatte kurz zuvor noch Hawk (Forrest Goodluck), den Sohn von Glass, umgebracht. Allein kämpft sich Glass zurück ins Leben, getrieben von Rachegedanken und Mordlust. Trotz übelster Verletzungen folgt er den Spuren Fitzgeralds und trifft dabei nicht nur auf französische Pelzhändler und indigene Völker, sondern vor allem auf die unerbittliche Natur der unerforschten Wildnis.

Szenenbild aus THE REVENANT - Ein Mann gegen die Natur - © 2015 20th Century Fox
Ein Mann gegen die Natur – © 2015 20th Century Fox
Wasser und Licht

Jeder Kinobesucher sollte vor dem Film noch einmal auf die Toilette, denn Wasser ist das verbindende Element des Films. Ein Traum für jeden Filmanalytiker. Wasser ist in jeder Szene zu sehen ist, egal ob als glasklares fließendes Gewässer, als glitzernde Eiszapfen oder als meterhoher Schnee. Ein Tröpfeln oder Rauschen ist ebenfalls in manchen Momenten auf der Tonspur zu hören, selbst wenn kein Gewässer in unmittelbarer Nähe ist. Wasser ist Lebensgrundlage; es liefert Fische und bildet die Grundlage einer jeden Suppe. Das Wasser ist Transportmittel. Wasser ist die Rettung aus beklemmenden Situationen. Es reinigt und sorgt für Kraft. Dies ist zu sehen als Glass, der sich nur auf Armen fortbewegen kann, von einem Fluss mitgerissen wird und dann auf zwei Beinen das Wasser wieder verlässt. Das Wasser ist aber auch der Tod. Alles fließt. Auch die Kamera, die sich mal als unmittelbar Beteiligte mitten im Geschehen befindet, bekommt Blutspritzer ab oder die Luft von DiCaprios Atem. Selbst in den Momenten, in denen sie nur zuschaut und dokumentiert, sind keine starren Totalen zu sehen. Der Blick schweift dafür im 360°-Winkel umher. Die Kamera ist häufig nah am Boden, nah an den Gesichtern, selbst im undurchsichtigstes Kampfgetümmel. Iñárritu und Kameramann Lubezki entschlossen sich nur mit künstlichem Licht, also Tageslicht oder Kerzenschein, zu arbeiten, was dem Film zusätzliche Authentizität gibt, aber auch das Bild manchmal etwas düster einfärbt.

And the Oscar goes to Leo!

Spätestens seit BIRDMAN dürfte Alejandro González Iñárrituauch der breiten Masse bekannt sein. Erst ein Jahr ist es her, als das Drama um den erfolglosen Schauspieler Riggan vier Oscars abgeräumt hat, unter anderem auch als bester Film. Nun könnte es so weitergehen, denn Iñárrituliefert mit THE REVENANT jetzt einen neuen Oscar-Kandidaten, der Leonardo diCaprio den langerwarteten Goldjungen einbringen könnte. Was heißt hier „könnte“? Er muss den Oscar für das beste Schauspiel erhalten. Alles andere wäre nicht fair. DiCaprio ist einer dieser Schauspieler, die es tatsächlich schaffen, sich immer wieder selbst zu übertrumpfen. Wer nach THE AVIATOR oder WOLF OF WALL STREET dachte, besser könnte es nicht werden, wird völlig überrascht. Das intensive Spiel, die Blicke, die körperlichen Anstrengungen, wie er auf den Armen durch den Schnee robt, das ist schwerlich durch jemanden zu toppen. Zumindest nicht in dieser Awardseason.

Szenenbild aus THE REVENANT - Mit Tom Hardy ist nicht zu spaßen... - © 2015 20th Century Fox
Mit Tom Hardy ist nicht zu spaßen… – © 2015 20th Century Fox

Zweiter Anwärter für eine Nominierung ist Kameramann Emmanuel Lubezki, der abermals für fantastische, bildgewaltige und durchchoreografierte Einstellungen sorgt, die ihm nach GRAVITY und BIRDMAN dieses Jahr den dritten Oscar in Folge für die beste Kamera einbringen könnten. Man entschied sich für eine schwebende Kamera, den man auch schon in BIRDMAN zu sehen bekam. Auch Tom Hardy sollte man trotz der gerechtfertigten Leo-Euphorie nicht unter den Tisch fallen lassen. Jeder Held ist nur so gut wie sein Gegenspieler und Fitzgerald ist durchtrieben und gefährlich. THE REVENANT ist kein Film, den man mal locker nebenbei schauen kann. Er schlaucht. Er tut beim Zuschauen weh. Man spürt die Kälte, den Hunger, die schmerzenden Wunden, die Gänsehaut. Alles ist dreckig, eklig, blutig, tarantinoesk. Vielleicht ist das Ende etwas zu rührselig geraten, aber der Film ist ein Erlebnis, dass man unbedingt auf der großen Leinwand genießen und auf keinen Fall verpassen sollte.

(5/6)

Trailer: © 20th Century Fox

12 thoughts on “The Revenant (2015)

  1. Ich empfand den Film eher nicht als tarantinoesk, eben weil er so verdammt weh tut. Bei Tarantino wird ja Gewalt ästhetisierender, glorifizierender dargestellt. Ich werde mich aus Mitgefühl auch in ein Pferd legen, wenn es diesmal nicht mit dem Oscar für Leo klappt. Was soll der Junge, denn sonst noch machen?

    1. Für mich ist beinahe jeder Film tarantinoesk, der besonders „blutig“ und gewalttätig ist. Liegt wohl daran, dass das eigentlich nicht so mein Fall ist und ich Quentin Tarantino gruselig finde, seitdem er erzählt hat, wie er Diane Kruger für INGLORIOUS BASTARDS gewürgt hat um „eine authentische Würgeszene hinzubekommen“. Ich würde mich aus Mitgefühl in ein fließendes Gewässer begeben und mich von der Strömung wegtreiben lassen, weil das dann am ehesten zu meiner Stimmung passt. Glücklicherweise wird es dazu nicht kommen, weil die wahlberechtigten Mitglieder der Academy in diesem Jahr endlich mal die richtige Entscheidung treffen werden. 😉 Am Wochenende stehen die Golden Globes an, die ja traditionell als Indikator für die Oscars stehen. Mal sehen, wie es dort für Leo läuft.

  2. Klingt gut, werde ich mir auch als nächstes ansehen. 🙂

    Leo verdient seinen Oscar ja schon seit „Gilbert Grape“ und es ist mir ein absolutes Rätsel warum er bisher keinen hat… Die Entscheidungen der Academy sind oft mehr als rätselhaft…

  3. Wow… Wasser als verbindendes Element des Films. Ist mir so noch gar nicht bewußt aufgefallen, aber Du hast vollkommen recht. Gut analysiert. 🙂 Werde beim nächsten Mal auf jeden Fall drauf achten.

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