NT Live: Frankenstein (O, 2011)

Wissenschaftler Viktor Frankenstein (Jonny Lee Miller) gelingt das Unmögliche: Er erschafft einen Menschen. Überrascht und schockiert von seinem Erfolg verjagt Viktor die Kreatur (Benedict Cumberbatch), die fortan alleine zurecht kommen muss. Alle Menschen, auf welche die Kreatur trifft, verachten sie aufgrund ihres Aussehens. Erst als er einen blinden alten Mann (Karl Johnson) trifft, der ihm das Sprechen und Lesen beibringt, scheint es ein Happy End für die Kreatur zu geben. Aber als der Sohn des Mannes und dessen Frau (Daniel Millar, Lizzie Winkler) zurückkommen und die Kreatur sehen, verjagen auch diese die Kreatur. Diese sinnt auf Rache. Sie zündet das Haus der Familie an und macht sich auf die Suche nach Viktor Frankenstein. Als beide schließlich aufeinander treffen, hat die Kreatur nur einen Wunsch: eine Frau (Andreea Paduraru).

Photo by Catherine Ashmore
Photo by Catherine Ashmore

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von NT Live werden noch einmal die erfolgreichsten Stücke der Reihe gezeigt. Eines dieser Stücke ist FRANKENSTEIN von Nick Dear unter der Regie von Danny Boyle. Entgegen der zahlreichen Verfilmungen, in denen die Kreatur meistens als Unmensch oder Monster dargestellt wird, versucht Dear der Kreatur „eine Stimme zu geben“. Das gelingt über alle Maßen gut. Daher wurde FRANKENSTEIN auch kein Thriller oder Horrorstück, sondern eher ein Drama über das Recht auf Leben. Doch dieses Drama ist auch gespickt mit kleinen lustigen Einwürfen, die immer dann kommen, wenn man sie nicht erwartet. Man leidet genauso mit dem Monster wie mit dem Schöpfer, der vollkommen überfordert ist. Auf der einen Seite ist da seine geliebte Wissenschaft, auf der anderen Seite seine Verlobte Elizabeth (Naomie Harris), die ihn zunehmens an die Wissenschaft verliert. Benedict Cumberbatch als Kreatur und Jonny Lee Miller als Vikor Frankenstein spielen absolut glaubwürdig und bewegend. Cumberbatch hat auf Grund seiner Rolle natürlich einen kleinen Vorteil, weil er mehr zeigen kann, aber Miller gibt den starken Gegenspieler überzeugend. Man fühlt die Chemie zwischen den Beiden, was wahrscheinlich daran liegt, dass die Beiden jeden Abend die Rollen getauscht haben und sich schon jahrelang privat kennen. Zum Setdesign, der Musik und den Kostümen könnte man auch noch viele lobende Worte verlieren, aber man kann es auch in einem Wort zusammenfassen: PHÄNOMENAL! Dieses Stück ist einfach der helle Wahnsinn.

Photo by Catherine Ashmore
Photo by Catherine Ashmore

Für alle, die das Stück nicht sehen konnten, gibt es das Drehbuch zum Lesen.

Einfach perfekt! NT Live, bitte macht eine DVD draus! (6/6)

Trailer: © NT Live

Update vom 20. November 2014

Alle Jahre wieder läuft FRANKENSTEIN in den deutschen Kinos was die Autorin dieser Zeilen ungeheuer freut. Heute abend lief im Kino meines Vertrauens die zweite Version mit umgekehrtem Cast, soll heißen Johnny Lee Miller als Creature und Benedict Cumberbatch als Viktor Frankenstein. Vorab hatte ich schon die nicht ganz spoilerfreie → Review von SingendeLehrerin gelesen und war dementsprechend schon auf die brutalere Vergewaltigungsszene eingestellt. Es ist unglaublich spannend. Cumberbatchs Viktor ist deutlich arroganter und selbstverliebter, während Millers Creature mehr rumsabbert und sich seinen Fuß in den Mund steckt (Inspiration für Millers Creature war ein Kleinkind, während Cumberbatch die Rolle auf Kriegsverwundete bezog). Die Traumsequenz zwischen Viktor und dem toten William ist in dieser Version besser und lustiger; auch die Chemie zwischen Cumberbatch und Naomie Harris ist tatsächlich deutlicher zu sehen als zwischen Miller und ihr. Ich könnte jetzt noch weitere Auffälligkeiten und Vergleiche aufzählen, aber im Grunde sind beide Versionen toll. Mir persönlich gefällt die mit BC als Creature besser, allerdings nur weil er da mehr Redezeit hat. Ansonsten muss ich sagen: tolles Drehbuch, toller Cast, super Musik, schönes Licht… Ich bin wieder geplättet und begeistert und ich freue mich aufs nächste Jahr, wenn es wieder heißt: „Bricht der Winter über dich herein, geh ins Kino und schau FRANKENSTEIN!“ 🙂

11 thoughts on “NT Live: Frankenstein (O, 2011)

  1. Ach, an Danny Boyle liegt das? Ich habe eine Mail ans NT geschrieben und bekam folgende Antwort:

    „I very much appreciate your desire to see our past productions released on DVD. Unfortunately there are no immediate plans to release DVDs due to our rights agreements with our artists and our current focus on building the live, communal experience in cinemas. We have however received great interest in DVD versions of many of our National Theatre Live productions and will continue to evaluate these opportunities in the future.“

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