Dokfest 2013 in Kassel // Freitag

Festivalblock Zweite Chance
Veranstaltungsort: Großes Bali

Opa ist der Größte
Regie: Maurice Quentin
Link zum kompletten Film

Der Film erzählt von der Beziehung zwischen Großvater und Enkel in einer dörflichen Umgebung. Das Kind ist oft zu Besuch beim Großvater und bewundert ihn sehr. Zur emotionalen Trennung kommt eine räumliche, als der Enkel mit seiner Mutter das Dorf verlässt, um in die Stadt zu ziehen. Als den Enkel Jahre später die Nachricht vom Tode seines Großvaters erreicht, werden alte Erinnerungen wieder wach.

Ein netter kleiner Film, der niemandem wehtut. Toll gelöst ist die unterschiedliche Gestaltung der Kinderzeit und der Zeit als Erwachsener. Während die Kinderzeit auch aus Kinderzeichnungen bestehen, ist das Leben als Erwachsener viel durchdesignter und strukturierter.

Aussichten
Regie: Fabian Schmalenbach
Website zum Film

Tobias, 12 Jahre alt, muss mit seiner Familie in eine neue Stadt umziehen. Er ist einsam in der neuen Umgebung und dann ist da auch noch das unheimliche Geisterhaus am Ende der Straße, vor dem er sich fürchtet.

Aussichten ist ein klassischer Kinderfilm, denn für Erwachsene wirkt die Geschichte ziemlich vorhersehbar. Für Kinder ist allerdings alles dabei: Eine schwierige Beziehung zu den Eltern, ein wenig Grusel und ein schönes Ende. Eine tolle Geschichte, wie sich Tobias mit seinem Nachbarn anfreundet und ihn anregt, sein Leben zu überdenken.

Des Blinden Bruder
Regie: Julian Vavrovsky

Ein blinder Straßenmusikant. Sein einziger Bezug zur sichtbaren Welt ist sein hilfsbereiter Bruder. Doch Misstrauen schleicht sich in die komplizierte Beziehung…

Besonders hervor sticht natürlich die prägnante Optik des Films, aber auch die Geschichte ist wirklich schön. Zudem wird die ganze Handlung nur mit Sprechblasen und Bildern erzählt, was in diesem Film aber gut funktioniert.

ohne Titel
Regie: Valeria Abendroth

Jedem Betrachter obliegt selbst was er sieht.

Und er sieht eine Frau tanzen. 45 Sekunden lang.

Kill your darling
Regie: Sarah Mock
Website zum Film

Die Videoarbeit Kill Your Darling vereint verschiedene Ebenen und Techniken zu einem Bild der Ratlosigkeit des Daseins. Dies umfasst den Gegensatz des Verstreichens der Zeit im Innen und Außen, die Wahrnehmung der Welt durch den Monitor als Gegenüber und endet in einer Feststellung: Es ist nicht möglich, ein echtes Gegenüber als Kontrapunkt selbst zu erschaffen.

Sarah Mock hat sich eine kleine Welt gebaut und sich selbst via Green Screen in diese Welt hineingesetzt. Die Vermischung aus gebauten Kulissen und echten Personen wirkt wirklich gut. Allerdings dürfte nicht jedem die Verbindung zur Pygmalionsgeschichte aufgefallen sein und deshalb ist es für viele schwierig den Film zu verstehen.

„Dedicated to our neighbours
Regie: Florian Hoffmann, Jana Wiezcorek

Was ist Ton ohne Bild? Hören wir, was es auch zu sehen gäbe? Oder hören wir, was unser Geist sich ausmalt?

Einfach nur witzig! Anschauen!

Hidden track
Regie: Elisabeth Zwimpfer
Website zum Film

Eifrig bemüht Arbeit zu finden, versucht sich eine junge Frau in die Gesellschaft zu integrieren, was ihr nicht so leicht gelingt. Da sie nebenbei noch singt, macht sie Bekanntschaft mit ihrem Nachbar, der sie durch die Heizung hindurch hört. Gemeinsam befreien sie sich in einer Disco von den Zwängen in der Gruppe, dem Trinken und monotonen Tanzen und werden dadurch von einem Türsteher hinaus in eine kalte Schneenacht befördert.

Der Look dieses Legetrickfilms ist wirklich klasse. Die Geschichte, die erzählt wird, ist ein bißchen zu vorhersehbar, aber die Optik macht wirklich vieles wieder wett. Toller Film!

Salzwasser
Regie: Matthias Krumrey
Trailer zum Film

Charlys Vater ist ein Dämon, ihre Mutter eine Wanderhure. Sie selbst sieht sich als Kriegerin. Innerhalb ihrer eigenen verzerrten Weltwahrnehmung kämpft die Sechzehnjährige um etwas Beständiges, das ihr Halt geben könnte. Der Wasserballer Tim wäre solch eine Konstante, doch die Beziehung ist längst vorbei. Um von den Klassenkameraden und vor allem von Tim akzeptiert zu werden, muss sie etwas an ihrem Lebensstil ändern. Doch das ist nicht so einfach.

Das große Problem des Films ist, dass man als Zuschauer wenig mit der Hauptfigur anfangen kann. Sie macht keinen sympathischen Eindruck. Man versteht ihr Handeln nicht. Man hat selten Mitleid mit ihr, obwohl es in zahlreichen Momenten angebracht wäre. Alles ist verworren. Von der reinen Machart her (Kameraführung, Schnitt etc.) kann man wirklich nicht meckern, aber die Handlung ist und bleibt ein Problem.

 

Festivalblock Auf Sand gebaut
Veranstaltungsort: Großes Bali

BELIEF
Regie: Alison Craighead, Jon Thomson
Website zum Film

Eine dreizehnminütige Kompilation von gefundenem Videomaterial auf Youtube zum Thema Glauben.

Ein toller Kurzfilm, der zeigt, dass man selbst religösen Fundamentalisten etwas Unterhaltsames abgewinnen kann. Ein Mädchen, dass sich für Adolf Hitler hält. Ein Mann, der sich als Beweis für seine mentale Stärke ein Brett über den Kopf zieht. Ein Guru, der alle auffordert, die Erde zu verlassen. Muss man mehr sagen?

Sudden Destruction
Regie: Bjørn Melhus

Ein Mann in einem Hotel. Ein regloser Körper, der plötzlich erwacht und in Krämpfen die „plötzliche Zerstörung“ postuliert. Die apokalyptischen Sprachzitate sind Youtube-Videos von selbst ernannten, christlich evangelikalen Propheten entnommen.

Der Exorzist meets Weltuntergangstheorien. So kann man diesen vierminütigen Kurzfilm zusammenfassen. Die Optik ist klasse. Das Hotelzimmer mit seiner Anonymität der perfekte Ort. Teufelsaustreibung der anderen Art. Wer’s mag.

After Vegas
Regie: Laurence Bonvin, Stéphane Degoutin

Las Vegas abseits der großen Prachtstraßen und neonglitzernden Hotels. Am Wüstenrand, in nur halbfertigen Hausruinen, an staubigen Straßen, in der Kanalisation, auf dem Parkplatz eines schäbigen Hotels. In langsamen Einstellungen erforscht der Film die Welt der weniger Glücklichen dieser Stadt und die Kehrseite des amerikanischen Traums.

Las Vegas wirkt wie ein Fotobuch. Häufig wird lange auf bestimmte Orte und Plätze draufgehalten ohne das etwas Nennenswertes passiert. Und bei einer Gesamtlänge von 21 Minuten wird das zur Geduldsprobe für den Zuschauer. Das Thema ist interessant, nur der Film „verkauft“ das nicht.

Exland
Regie: Thibault Gleize, Mihai Grecu
Website zum Film

Hinter nebelverhangenen Bergen und windigen Fjorden liegen die Ruinen eines gigantischen Vergnügungsparks, über überdimensional große LED-Wände flackert nur magentafarbenes Licht. Und dann kommt es zum „Raspberry Disaster“.

Exland schafft es den Zuschauer gleichzeitig zu entschleunigen – durch die schönen Landschaftsaufnahmen – und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Wie aus dem Nichts stehen in der Landschaft LED-Leinwände und eine alte Achterbahnstrecke. Man fragt sich: „Ist das echt? Und wenn ja, wo steht das?“ Exland hat eine ganz eigene Atmosphäre und hätte auch ruhig noch etwas länger gehen können. Die sieben Minuten sind viel zu schnell vorbei.

Tar Creek
Regie: Lydia Moyer

Zwei von Kletterpflanzen fast überwucherte Häuser, weiße Markierungsstreifen auf verwittertem Asphalt und überall große Haufen von feinem Sand. Die Minen in Tar Creek an der Grenze zwischen den US-Bundesstaaten Kansas und Oklahoma waren Hauptlieferanten von Metall für die Waffen-Produktion der USA im ersten Weltkrieg und sind Ort eines der größten Umwelt-Desaster Amerikas.

Eine interessante Dokumentation, die aber nicht aufrüttelt, was bei diesem Thema eigentlich angebracht wäre. In leisen Tönen erklärt die Regisseurin die Zusammenhänge und schreckt auch nicht davor zurück Google Street View-Aufnahmen zu verwenden.

L’adieu
Regie: Zhenchen Liu

Hundert Jahre nach der Titanic, setzt der weltweit berühmteste Luxusliner „Queen Mary 2″ die Segel, um den Atlantik zu überqueren. In einer einzigen zeitlich verlangsamten Einstellung zeigt L’adieu die vom Kontinent Abschied nehmenden Passagiere, während das Schiff in den Sonnenuntergang gleitet.

Als Installation wäre dieser Film bestimmt eine Bereicherung für jedes Festival, als Film im Kino wirkt L’adieu nicht wirklich gut.  Die Laufzeit von 18 Minuten schlaucht schon sehr, weil man in dieser Zeit nur Teile des Schiffes und winkende Passagiere sieht. Zudem ruckelt und wackelt das Bild, sodass der Zuschauer zusehens seekrank wird.

 

Festivalblock MUNDWERK
Veranstaltungsort: Großes Bali

Ich gehe nicht ins Theater, weil
Regie: Alexej Hermann, Eike Weinreich

Die beiden Regisseure haben Leute in Oberhausen auf der Straße gebeten folgenden Satz zu vervollständigen: „Ich gehe nicht ins Theater, weil…“. Anschließend lassen sie die gesammelten Aussagen vom Ensemble vom Theater in Oberhausen vortragen.

Der Film hat seine ganz eigene Komik. Die eher nüchternen Aussagen der Passanten vorgetragen von den geschminkten und kostümierten Schauspielern wirken auf den ersten Blick natürlich belustigend, aber hin und wieder auch traurig. Man bekommt den Eindruck, dass das Theater seine Besucher für immer verloren hat oder zumindest das die Verbindung zwischen dem Theater und dem Menschen auf der Straße abgerissen ist. Dies schlägt sich in der Diskrepanz zwischen Ton- und Bildebene nieder. Tolle Kurzdokumentation!

Born Positive
Regie: Carla Simón Pipó
Website zum Film

Drei junge Londoner, die mit HIV geboren wurden, erzählen wie sie von dem Virus erfahren haben. Um die drei jungen Menschen vor Stigmatisierung zu schützen, wurden ihre Berichte von Schauspielern nachgestellt, die synchron zu den aufgezeichneten Stimmen der Protagonisten sprechen.

Aus dem spannenden Thema und der fantastischen Idee O-Töne der Protagonisten von Schauspielern sprechen zu lassen, wurde leider nur eine mittelmäßige Kurzdoku. Das Problem liegt an den Schauspielern. Man hat häufig den Eindruck, dass sie einfach nur den Text aufsagen und die Szenen der Originalprotagonisten nachstellen ohne ein Gefühl für ihre „Rollen“ zu haben. Naja.

Deutsche Konvertiten im Westjordanland
Regie: Frank Henne
Der Originalradiobeitrag des Films

Frank Henne hat im Westjordanland deutsche Konvertiten besucht und dazu befragt, warum sie nach Israel ausgewandert sind. Eigentlich wollte er einen Film drehen, letztendlich wurde es „nur“ ein Radiobeitrag. Henne kehrt das Prinzip wieder um und zeigt den Originalradiobeitrag unterlegt mit neuen und bereits erstellten Filmaufnahmen.

Der Ansatz, geschnittene Stellen und Aussagen sichtbar zu machen, ist prinzipiell gelungen. Allerdings ist nach einer Weile das Prinzip auch klar und der Film zieht sich deshalb etwas in die Länge.

Hollywood Movie
Regie: Volker Schreiner
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Volker Schreiner setzt die „Regieanweisung” von Nam June Paiks Text „Film Scenario”um, welche besagt: „You can make any boring Hollywood film interesting, if you cut the film several times and splice it again or put the lamp on and play cheap transistor radio in your seat.“

Ein sehr humorvoller Abschluss dieses Themenblocks. Alle Anweisungen sind Bruchstücke bzw. Zitate aus bekannten Hollywood-Filmen. Es ist ein bißchen schwer dem Text zu folgen, weil kein flüssiger Wortfluss entsteht, sondern eher abgehakte Wortfetzen mit denen man dann als Zuschauer „arbeiten“ muss. Das Konzept ist aber super und bei einer Länge von sieben Minuten auch erträglich.

 

Festivalblock Bildbeweise
Veranstaltungsort: Großes Bali

Stopover in Dubai
Regie: Chris Marker

Am 19. Januar 2010 wurde Mahmoud al-Mahbouh, Mitglied der Hamas, in seinem Hotelzimmer in Dubai ermordet. Wir sehen die Aufzeichnungen der Videoüberwachung, die von den Dubaier Behörden frei verfügbar ins Internet gestellt wurden. Darunter gelegt ist Henryk Góreckis „String Quartet No. 3“. Eine Erzählung entsteht, die Spannung steigt und Misstrauen kommt auf.

Élevage de Poussière
Regie: Sarah Vanagt

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag untersucht seit 1991 begangene schwere Verletzungen der Genfer Konvention, Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens. Seit 1993 begutachten Angeklagte, Anwälte und Richter Beweismaterial und Zeugenaussagen. Sarah Vanagt beobachtet den Prozess gegen Radovan Karadžić, der voraussichtlich 2014 beendet sein wird. Sie untersucht die Hindernisse bei der Rekonstruktion des Krieges, der an sich gut dokumentiert ist und analysiert die Diskrepanz zwischen Fakten, Beweismaterial und deren Interpretation. Vanagt versucht die geheime Sprache zu entschlüsseln, die den Spuren des Krieges inne wohnt. Sie legt vielschichtige Details offen und bringt uns dazu, genau hinzuschauen und Dinge anders zu betrachten.

Kritik zu beiden Filmen:
Beide Filme lassen sich in einer einheitlichen Kritik zusammenfassen, weil sie das gleiche „Problem“ haben. Beide Filmemacher haben tolle Ansätze ihre Filme umzusetzen. Chris Marker benutzt Filmmaterial aus Überwachungskameras und unterlegt sie mit Musik, die das Geschehen zeitweilig wie einen Krimi wirken lässt. Sarah Vanagt paust sämtliche Oberflächen im Internationalen Strafgerichtshof ab um aus den Möbelstücken, Glaswänden und Betonböden eine ganz eigene Geschichte des Gerichtsverfahrens sichtbar zu machen. Allerdings gelingt es beiden nicht ihre jeweiligen Handlungsstränge sinnvoll und für den Zuschauer verständlich aneinanderzureihen. Bei Marker fliegen zu den ohnehin schon pixeligen und schwer erkennbaren Überwachungsvideos noch Erklärungen ins Bild, die den Zuschauer zusätzlich fordern. Außerdem ist die Handlung so komplex, weil so viele Personen und Hotelnamen genannt werden, dass man irgendwann hoffnungslos überfordert ist. Gleiches Spiel bei Sarah Vanagt: Der Gerichtsprozess ist nicht nur inhaltlich fordernd, sondern auch bildlich. Das Bild wechselt häufig zwischen pixeligen Beweismitteln und einer klaren Auflösung, wenn es um Vanagts eigene Aufnahmen oder die des Gerichts geht. Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Filme unnötig anstrengend s

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