The Imitation Game (2014)

Liest man über Benedict Cumberbatch dieser Tage, dann lässt sich ein Phänomen bestaunen. Die Journalistinnen beschreiben erst einmal seitenweise wie Benedict heute aussieht und wie toll doch seine Stimme klingt, bis sie dann irgendwann mal im letzten Absatz auf den Film zu sprechen kommen für den er gerade Werbung macht. Die Herren der Schöpfung halten sich mit derart ausführlichen Beschreibungen glücklicherweise zurück. Was aber alle Filmjournalisten eint, ist die Tatsache, dass Cumberbatch immer wieder als Genie hingestellt wird. Das fängt meistens schon damit an, dass das SHERLOCK-Filmzitat „Brainy is the new sexy“ als Überschrift für diverse Cumberbatch-Portraits diente. Möge Benedict irgendwann wirklich so klug sein wie ihn die Journalisten schreiben. Der Terminus „Genie“ ist auch falsch gewählt. In erster Linie spielt Benedict einsame Charaktere. Entweder sind sie einsam, weil sie die Einzigen ihrer Art sind (wie The Creature in FRANKENSTEIN oder Smaug in der HOBBIT-Trilogie) oder aber weil sie kluge Köpfe sind und niemand intellektuell mit ihnen mithalten kann. Einsamkeit ist ein derart universelles Thema, dass es jeden anspricht. Dies erklärt auch den massiven Zulauf, den Benedicts Fangemeinde in den letzten Jahren erfahren hat. Natürlich verkauft sich der Terminus „verkanntes Genie“ auch viel besser als „einsame Seelen“, daher wird man ihn wahrscheinlich auch weiter so betiteln. Wie im Moment. Seine Darstellung als Alan Turing hat ihm bereits eine Golden Globe- und Oscar-Nominierung eingebracht. Völlig zu Recht.

© SquareOne Entertainment
Mensch oder Maschine?

THE IMITATION GAME spielt zur Zeit des 2. Weltkriegs und erzählt die Geschichte des britischen Mathematikers Alan Turing (Benedict Cumberbatch), der als Teil einer geheimen Gruppe die Enigma entschlüsseln soll. Turing, der mathematische Rätsel liebt, ist von dem Verschlüsselungssystem der Deutschen fasziniert. In der streng geheimen Einrichtung Bletchley Park trifft Turing auf andere Wissenschaftler, die bei der Entschlüsselung helfen sollen. Der Schachmeister Hugh Alexander (Matthew Goode) wird zum Anführer der Gruppe bestimmt, zu der auch noch John Cairncross (Allen Leech), ein schottischer Mathematiker, der Student Peter Hilton (Matthew Beard) sowie die Linguisten Furman und Richards gehören. Turing ist aber kein guter Teamplayer. Als ihm die finanziellen Mittel für seine Maschine nicht bewilligt werden, wendet er sich kurzerhand an Premierminister Winston Churchill, der ihm nicht nur die gewünschte Summe zur Verfügung stellt, sondern auch zum Anführer der Enigma-Gruppe ernennt, was zu Spannungen innerhalb der Gruppe führt. Die Linguisten werden kurzerhand entlassen, Ersatz wird mittels eines Kreuzworträtsels rekrutiert. Die Mathematikstudentin Joan Clarke (Keira Knightley) stößt daraufhin in die männerdominierte Gruppe und wird zur Freundin und Verlobten von Turing. Mit gemeinsamen Kräften gelingt es der Truppe gegen alle Widerstände Turings Maschine, die er „Christopher“ getauft hat, zu bauen.

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Der  Norweger Morten Tyldum verbindet drei Zeitabschnitte in Turings Leben, die er kontinuierlich weitererzählt und miteinander verwebt. Die Rahmenhandlung spielt 1951 als der Detektive Robert Nock (Rory Kinnear) einen Einbruch in Turings Haus untersucht und dabei Nachforschungen zu Alan Turing anstellt. Die Jahre ab 1938 spielen sich in Bletchley Park ab und beleuchten Turings Verhältnis mit seinen Kollegen und dem Entschlüsseln der Enigma. Die dritte Zeitebene spielt 1927 als  Alan noch zur Schule ging und sich mit seinem Mitschüler Christopher anfreundet. Alle Zeitebenen werden miteinander verbunden und obwohl permanent vor und zurück gesprungen wird, bleibt es trotzdem logisch und spannend. Nock fungiert  als Alter Ego des Zuschauers. Er ist derjenige, der über Turing Nachforschungen anstellt. Die Gespräche zwischen Turing und Nock sind bewegend, besonders durch Turings überhebliche Art mit Nock zu sprechen. „Are you paying attention? Good. This is going to go very quickly now. If you are not listening carefully, you will miss things. Important things.“ sagt Turing zu Beginn und es ist, als würde er den Zuschauer selbst ansprechen. Die Homosexualität Turings und die damit verbundenen Probleme werden nicht explizit gezeigt, sind aber entweder im Subtext oder in Wortgefechten thematisiert.

© SquareOne Entertainment

Benedict Cumberbatch spielt Turing als eine Mischung aus Sheldon Cooper und seiner Paraderolle Sherlock Holmes. Diese arrogante und besserwisserische Art sorgt für den ein oder anderen Lacher, besonders wenn Turing mal seinen Willen nicht bekommt. Es mag sicherlich Leute geben, denen die so langsam einseitige Rollenauswahl sauer aufstößt, allerdings ist Cumberbatch auch wirklich ausgezeichnet in solchen Rollen. An seiner Seite behauptet sich standhaft Keira Knightley, die zu einer Art Vermittlerin zwischen dem eigensinnigen Turing und seinen Kollegen wird. Bei Joan Clarke nahm sich das Drehbuch viel heraus in Bezug auf die künstlerische Freiheit. So wird die platonische Liebe zwischen den Beiden →stärker dargestellt, als sie eigentlich war, und auch zahlreiche andere Details wurden für den Film verändert. Trotzdem nimmt man den beiden Darstellern die gegenseitige Sympathie und Zuneigung ab. Der restliche Cast ist ebenfalls erstklassig besetzt. Turings Suizid im Jahr 1954 wird nur noch am Rande erwähnt, obwohl es im Originaldrehbuch (siehe → hier, S. 117) noch eine entsprechende Szene gab, die allerdings von den Beteiligten als zu flach empfunden wurde und laut Drehbuchautor Graham Moore → „wie ein Apple Commerical“ wirkte. Der Film funktioniert aber auch ohne Turings Ende. So fassungslos wie Joan Clarke verlässt man den Kinosaal angesichts Turings Schicksal. Erst im September 2009 → entschuldigte sich der britische Premierminister Gordon Brown im Namen der britischen Regierung für die Verfolgung Turings aufgrund seiner Homosexualität. 2013 →begnadigte Queen Elizabeth II. den Codeknacker. Auch wenn er vielleicht geschichtlich nicht ganz akkurat ist, ist THE IMITATION GAME ein wichtiger Film, den hoffentlich viele sehen werden.

Sehr bewegend (5.5/6)

Bilder und Trailer: © SquareOne Entertainment

10 thoughts on “The Imitation Game (2014)

  1. Sehr schöne Kritik. Mich konnte der Film auch sehr begeistern. Das Ende fand ich gerade richtig gewählt, ich glaube auch dass eine Suizid-Szene oder ähnliches nicht gepasst hätte. So bleibt der Zuschauer ein stückweit auf sich allein gestellt mit den Tatsachen und ein gewissen Unsicherheit und eben seiner eigenen Vorstellungskraft.

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