The Big Sick (OmU, 2017)

Liebesfilme haben mich immer abgeschreckt. Nicht nur, weil sie in den DVD-Abteilungen der Kaufhäuser meistens in rosafarbenen Pappaufstellern mit der Überschrift „Was Frauen schauen“ stehen (als ob sich Frauen nicht auch für „hartes Zeug“ begeistern könnten), sondern auch weil die Handlung meistens immer die Gleiche ist: Frau verliebt sich in Mann, weiß aber nicht, wie sie ihn ansprechen soll und veranstaltet ein Theater um den Mann zu bezirzen, Mann ist bezirzt, Frau ist glücklich. Frau sieht ihn wie er eine andere Frau umarmt, Frau ist enttäuscht und schwört allen Männern fortan ab, Mann überrascht Frau mit Rosenstrauß, Frau konfrontiert Mann mit potenzieller Affäre, Mann sagt: Es war nur meine Cousine., Frau fühlt sich dumm, freut sich aber auch darüber, dass sie jetzt mit Mann zusammenbleiben wird. Bis zum Ende aller Tage. Man möchte im Strahl kotzen. Diese Liebesgeschichte konnte dennoch mein Herz erweichen: THE BIG SICK.

Filmstill aus THE BIG SICK - Emily (Zoe Kazan) lernt Kumail (Kumail Najiani) kennen. - Photo by Sarah Shatz - © Weltkino Filmverleih
Emily (Zoe Kazan) lernt Kumail (Kumail Najiani) kennen. – Photo by Sarah Shatz – © Weltkino Filmverleih

Der erzählt von den Anfängen des in Pakistan geborenen Kumail (Kumail Nanjiani). Mehr schlecht als recht schlägt er sich in Chicago als Stand-up-Comedian durch. Seiner tradionsbewussten Familie ist der unstehte Lebensstil ein Dorn im Auge und so wird ständig versucht ihn mit pakistanischen Single-Frauen zu verkuppeln. Dann lernt Kumail bei einem seiner Auftritt die aufgeschlossene Emily (Zoe Kazan) kennen und verliebt sich in sie. Vor seiner Familie hält er das aber geheim, da sie niemals eine weiße Freundin für ihren Sohn akzeptieren würde. Bald kommt es zum Streit und schließlich zur Trennung. Dann erfährt Kumail, dass Emily schwer krank ist und ins künstliche Koma versetzt werden muss. Kumail bleibt an Emilys Seite, was besonders ihre Eltern Terry (Ray Romano) und Beth (Holly Hunter) verwundert.

Muslime in der Identitätskrise

Der Hauptgrund, der mich bislang abgeschreckt hat, THE BIG SICK anzuschauen, war das Genre. Der Liebesfilm hat ein angestaubtes Image. Diese Mann-trifft-Frau-Geschichten unterlegt mit gefühlvoller Klaviermusik sind doch irgendwie aus der Zeit gefallen. Das lockt mich nicht hinter dem Ofen vor, geschweige denn ins Kino.

Filmstill aus THE BIG SICK - Beth (Holly Hunter), Terry (Ray Romano) und Kumail (Kumail Nanjiani ) - Photo by Nicole Rivelli - © Weltkino Filmverleih
Beth (Holly Hunter), Terry (Ray Romano) und Kumail (Kumail Nanjiani ) – Photo by Nicole Rivelli – © Weltkino Filmverleih

THE BIG SICK ist aber eine gelungene Ausnahme. Hier steht die Liebesgeschichte nur punktuell im Mittelpunkt. Viel häufiger geht es um Themen wie Identität oder Religion. Der Film charakterisiert die Identitätskrise junger Muslimer in den USA. Auf der einen Seite halten die Eltern immer noch an traditionellen Werten ihres Heimatlandes wie zum Beispiel an der arrangierten Ehe für die eigenen Kinder fest. Auf der anderen Seite haben die Kinder alle Möglichkeiten ihr Leben selbst zu gestalten. Dieser Zwiespalt wird an vielen Stellen gut herausgearbeitet. Auch die Sicht „von Außen“ auf die pakistanischen Migranten wird thematisiert. So versichern Kumail und sein Bruder (Adeel Akhtar) anderen Restaurantbesuchern, dass sie Terroristen hassen, als sie nach einem etwas lauteren Gespräch zweifelnde Blicke von den anderen Gästen ernten.

Sympathisch und authentisch

THE BIG SICK geht einfach ans Herz. Das liegt nicht nur daran, dass die Besetzung der Rollen einfach auf den Punkt ist. Wirklich jeder, auch die kleinste Nebenrolle, in diesem Film ist sympathisch. Die Geschichte basiert auf wahren Ereignissen und die echte Emily (Emily V. Gordon) schrieb zusammen mit ihrem heutigen Ehemann Kumail zusammen das Drehbuch. Dafür gab es sogar eine Oscar-Nominierung.

Filmstill aus THE BIG SICK - Emily (Zoe Kazan) und Beth (Holly Hunter) - Photo by Nicole Rivelli - © Weltkino Filmverleih
Emily (Zoe Kazan) und Beth (Holly Hunter) –
Photo by Nicole Rivelli – © Weltkino Filmverleih

Der Film ist ein weiterer richtiger Schritt in Sachen Repräsentation. Hier sind Muslime nicht als rachsüchtige Terroristen dargestellt, sondern als völlig normale Leute, die genauso mit Problemen zu kämpfen haben wie alle anderen auch. In einem Video anlässlich der diesjährigen Oscar-Verleihung kam auch Nanjiani zu Wort und verkündete in Hinblick auf die Debatten um Stereotype im Film: „Some of my favorite movies are by straight white dudes about straight white dudes. Now, straight white dudes can watch movies starring me and you relate to that. It’s not that hard. I’ve done it my whole life.“ Dem ist nichts mehr hinzufügen. Außer vielleicht: Schaut euch diesen Film an! Er ist zum Lachen, er ist zum Heulen, er ist liebenswert und authentisch.

5.5/6 bzw. 9/10

Der Film erscheint am 23.03.2018 auf DVD und Blu-Ray. Zur Erstellung der Kritik wurde mir vom Weltkino Filmverleih freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf meine Wertung.

Trailer: © Weltkino

1 thoughts on “The Big Sick (OmU, 2017)

  1. Hach, schön, dass du auch hier ganz meiner Meinung bist – man kann gar nicht zu viel Werbung für dieses Juwel machen! Und ja auch mir hatte Kumail Nanjianis Aussage in dem Clip bei den Oscars besonders gut gefallen! <3

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